Der Technologietransfer von Rennwagen in die Serienproduktion hat bei Porsche Tradition – der Christophorus hat sieben markante Beispiele herausgegriffen.
1953 Mittelmotor
550 Spyder > 904
In Stuttgart-Zuffenhausen lief seit zwei Jahren die Produktion des 356, als sich Porsche 1952 entschied, werksseitig in den Motorsport einzusteigen. Die Ingenieure begannen mit der Konstruktion eines Spyders mit Aluminiumkarosserie. Herzstück des 550 Spyder (Foto: Le Mans 1955): das luftgekühlte Vierzylinder-Boxeraggregat, das als Mittelmotor vor der Hinterachse saß. Die vier oben liegenden Nockenwellen wurden von Königswellen gesteuert.
Dank der fahrdynamisch günstigen Position des nach seinem Konstrukteur benannten Fuhrmann-Motors war der 550 Spyder besonders agil. Mit 81 kW (110 PS) erreichte er nicht nur eine Höchstge- schwindigkeit von 220 km/h, sondern auch prompt den ersten Sieg beim ersten Rennen 1953 auf dem Nürburgring. Das Antriebskonzept schaute sich zehn Jahre später die Kleinserie des 904 Carrera GTS ab. Zwischen 1969 und 1976 bewies der Volks-Porsche 914, dass ein Mittelmotor-Sportwagen auch mit vergleichsweise geringer Leistung für großen Fahrspaß sorgen kann. Die DNA des offenen Zweisitzers mit dem Boxermotor vor der Hinterachse führt seit 1996 der Boxster erfolgreich fort.
1969 Aktive Aerodynamik
917 > 911 Carrera
Der Porsche 917 schlug 1969 ein neues Kapitel der Aerodynamik auf. Zunächst gab es den Zwölfzylinder-Rennwagen in zwei Versionen: mit langem, luftwiderstandsoptimiertem Heck für Hochgeschwindigkeitskurse sowie mit kurzem Heck und geringerem Auftrieb für kurvenreiche Strecken. Um den Auftrieb noch weiter zu senken, befanden sich am Heck bewegliche Klappen. Diese waren über ein Gestänge mit den Radaufhängungen verbunden. Beim Einlenken in die Kurve fuhr die Klappe über dem kurveninneren Hinterrad aus und erhöhte so Radlast und Stabilität – ein genauso einfaches wie geniales Hilfsmittel und gleichzeitig der erste Schritt auf dem Weg zur aktiven Aerodynamik. Diese feierte 1988 im 911 Carrera (964, Foto) Premiere in der Serie – in Form des Heckspoilers, der bei 80 km/h automatisch aus der Motorhaube ausfuhr.
Dem Prinzip ist der Elfer bis heute treu. Im neuen 911 Turbo haben im vergangenen Jahr mit dem System Porsche Active Aerodynamics (PAA) variabel verstellbare Bug- und Heckspoiler Einzug gehalten.
1972 Turbo mit Bypassventil
917/10 > 911 Turbo
Speziell für die amerikanische CanAm-Serie (Canadian-American Challenge Cup) entwarf Porsche 1972 aus dem 917 Coupé einen offenen Spyder. Da der 917/10 (Foto) zunächst der leistungs- und hubraumstarken Konkurrenz unterlegen war, entwickelte Porsche einen Zwölfzylinder-Turbomotor mit 625 kW (850 PS). Die Herausforderung: Der Druckaufbau musste so gesteuert werden, dass er für die extremen Last- und Drehzahlwechsel eines Rennmotors geeignet war. Daher entschlossen sich die Ingenieure für eine abgasseitige Steigerung des Ladedrucks statt der herkömmlichen Regelung auf der Ansaugseite. Unerwünschter Überdruck wurde über ein Bypassventil am Lader vorbeigeleitet. Mit dem neuen Motor dominierte der 917/10 die CanAm-Serie. Die Turbotechnik ließ in der Serie nicht lange auf sich warten: 1973 sorgte der Prototyp des 911 Turbo (930) auf der IAA für Furore, ein Jahr darauf wurde die Serienversion präsentiert. Mit dem aufgeladenen Dreiliter-Boxermotor (191 kW/ 260 PS) galt der Top-Elfer als eines der schnellsten Serienfahrzeuge der Welt.
1984 PDK
956 > 911 Carrera
Porsche arbeitete bereits im Jahr 1964 an einem Doppelkupplungsgetriebe, 1979 entstand eine Studie eines Zukunft-Sportwagens (995), die ebenfalls mit einer Doppelkupplung ausgestattet war. Im Zuge der Weiterentwicklung des Gruppe-C-Rennwagens 956/962 griffen die Entwickler die Idee vom Schaltgetriebe ohne Zugkraftunterbrechung Anfang der Achtzigerjahre wieder auf. Die Technik war besonders interessant in Verbindung mit Turbomotoren, da man beim Schalten auf dem Gas bleiben konnte und somit der Ladedruck konstant erhalten blieb, von den kürzeren Schaltzeiten ganz zu schweigen.
1983 erfolgte der erste Versuchseinsatz mit einem lastschaltbaren, elektronisch gesteuerten Stirnradgetriebe – die Geburtsstunde des Porsche-Doppelkupplungsgetriebes (PDK). Ein Jahr später startete der 956 beim 1000-Kilometer-Rennen in Imola das erste Mal mit PDK. 1986 gewann der 962 C PDK den WM-Lauf in Monza. Aber Elektronik und Rechnerkapazitäten reichten damals noch nicht aus, um den hohen Komfortansprüchen der Serie zu genügen. Porsche legte das PDK zunächst auf Eis.
2008 erhielt dann der 911 Carrera (997, zweite Generation) als erster Seriensportwagen ein Doppelkupplungsgetriebe (Foto). Heute verkauft Porsche mehr als 90 Prozent der Elfer mit PDK.
1983 Geregelter Allradantrieb
959 > 911 Carrera 4
Anfang der Achtzigerjahre arbeitete Porsche an einem Rennwagen für die Gruppe B. Um die Fahrdynamik zu optimieren, erhielt der 959 (Foto) einen Allradantrieb mit einer elektronischen, stufenlos geregelten Längssperre. Das Antriebsmoment wurde je nach Radlast und Reibwerten der Räder auf beide Achsen verteilt. Das Konzept erwies sich als so erfolgreich (der 959 gewann 1986 die Rallye Paris–Dakar), dass Porsche es zwei Jahre später im 911 Carrera 4 (964) adaptierte.
Im ersten Elfer mit Allradantrieb erfolgte die Grundverteilung der Momente über ein Planeten-Verteilergetriebe im Verhältnis von 31 zu 69 Prozent (Vorderachse zu Hinterachse). Eine hydraulisch betätigte Längs- und Quersperre sorgte dabei für ein nahezu stufenloses Ändern des Verteilungsverhältnisses. Zum Anfahren auf rutschigem Untergrund ließen sich die Sperren mithilfe eines Drehschalters auf der Mittelkonsole auch manuell aktivieren.
1998 Kohlefaser
911 GT1 > Carrera GT
Beim Porsche-Sieg in Le Mans 1998 triumphierte der 911 GT1 mit einem Carbon-Monocoque. Bauteile aus Kohlefaser verbinden extreme Festigkeit mit niedrigem Gewicht, sind aber auch sehr teuer. Daher blieb es 2003 dem Supersportwagen Carrera GT vorbehalten, das Kohlefaser-Chassis (Foto) auf die Straße zu bringen. Im neuesten Porsche-Supersportwagen kommt ebenfalls carbonfaserverstärkter Kunststoff (CFK) zum Einsatz. Das Monocoque des 918 Spyder wird nach dem Prinzip des sogenannten Resin Transfer Moulding hergestellt. Dabei liegen die verwebten Kohlenstoffgewebe in einem Formwerkzeug, in das Kunstharz eingespritzt wird. Das Ganze wird dann circa 20 Minuten gebacken, bevor es aushärtet.
Auch in alltagstauglichen Rennfahrzeugen wie dem 911 GT2 RS (997) spielt CFK immer häufiger eine Rolle. Die Fronthaube wird dadurch beispielsweise mehr als zwei Kilogramm leichter als ihr Aluminium-Pendant des Basisfahrzeugs.
2010 E-Motor an der Vorderachse
911 GT3 R Hybrid > 918 Spyder
Der 911 GT3 R Hybrid (Foto) lieferte Porsche in den Jahren 2010 und 2011 als sogenanntes Rennlabor Erkenntnisse für den späteren Einsatz der Hybridtechnik in der Serie. Das Ziel bestand darin, maximale Sportlichkeit bei höchster Effizienz zu erzielen. Angetrieben wurde er 2010 von einem 352 kW (480 PS) starken Vierliter-Sechszylinder-Verbrennungsmotor im Heck sowie zwei Elektromotoren mit jeweils 60 kW (82 PS) an der Vorderachse.
Beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring gelang 2010 beinahe der Überraschungserfolg: Bis knapp zwei Stunden vor dem Ziel lag der GT3 in Führung. Doch dann fiel er aufgrund eines Motorschadens am Verbrenner aus. Einzug in die Serie hielt der elektrische Vorderachsantrieb 2013 im 918 Spyder. Mit dem zukunftsweisenden Antriebskonzept, zusätzlich garniert mit feinster Renntechnik aus dem LMP2-Rennwagen RS Spyder, erzielte der Supersportwagen einen neuen Rekord auf dem Nürburgring: Als erstes Serienfahrzeug umrundete er die Nordschleife in weniger als sieben Minuten. Bei einer Gesamtleistung von 652 kW (887 PS) verbraucht der 918 Spyder laut Neuem Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) im Schnitt nur 3,1 Liter auf 100 Kilometer.
Ferry Porsches Credo gilt unverändert: „Der Rennsport muss die Serie beflügeln.“