Porsche - Perfekt gemacht

Perfekt gemacht

Der Macan ist wie jeder Porsche ein Sinnbild für das optimale Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Der intelligent gesteuerte Produktionsprozess bezieht mehrere Standorte und viele Lieferanten ein – und gipfelt in der hochmodernen Fertigung im Werk Leipzig. So entsteht der kompakte SUV.

Die Bodengruppe bittet zum Tanz. An der Station 1810 im neuen Karosseriebau des Porsche-Werks Leipzig vollführen drei gelbe Roboter ihre perfekte Choreografie. Sie schweißen den vorderen und hinteren Boden sowie die vorderen Radhäuser samt Federbeinaufnahmen und Längsträgern zusammen. Fließende, beinahe menschliche Bewegungen. Der Macan entsteht von unten nach oben. An Station 1810 wird er getauft – ab hier spricht man von einem Fahrzeug – und erhält seine Geburtsurkunde in Form eines Transponders mit dem fahrzeugspezifischen Identifizierungscode.

Kurz zuvor war er noch eine Ansammlung einzelner Aluminium- und Stahlblechteile, von Lieferanten ins Versorgungszentrum Karosseriebau transportiert. Von dort gelangen sie per Routenzug taktgenau an die Anlagen im Werk. Anlagen, die in Rekordzeit aufgebaut wurden. In weniger als 26 Monaten entstanden nicht nur der Karosseriebau und die Lackiererei, auch die Montage hat Porsche – im laufenden Betrieb – umgebaut. Die Produktionsfläche wuchs insgesamt von 79 900 auf aktuell 245 900 Quadratmeter. Diese Fläche entspricht ungefähr der Größe von 34,5 Fußballfeldern. Eine Leistung, der Produktionsvorstand Dr. Oliver Blume Respekt zollt: „Ich bin begeistert, wie die Mannschaft das gemeistert hat.“

Mittlerweile hat der vorderste der drei Roboter seine Schweißzangen abgelegt und einen Handlingsgreifer aufgenommen, mit dem er den Macan-Unterbau hochhebt und auf einen Transportschlitten legt. Auf diesem geht es fortan durch den Karosseriebau. Es folgen der Aufbau mit den Seitenteilen und dem Dach sowie die Anbauteilelinie. Hier werden die zuvor in pa­rallelen Schritten gefertigten Türen, die Heckklappe, die vorderen Kotflügel und die übergreifende Motorhaube in die Karosserie integriert. Die Haube ist optisches und fertigungstechnisches Highlight zugleich. „Sie hat uns wegen ihrer Form und Größe im gesamten Produktionsprozess vor große Herausforderungen gestellt“, sagt Thomas Riediger, verantwortlich für die Planung der neuen Anlagen.

Dieser Prozess beginnt im Volkswagen-Werk Bratislava in der Slowakei. Dort wird auf der größten Presse des VW-Konzerns auch die Macan-Haube geformt. Sie arbeitet mit einer Kraft von 91 000 Kilonewton – das entspricht umgerechnet ungefähr dem Gewicht von 4500 Macan – und der besonders großen Ziehtiefe von 380 Millimetern. Das Abstapeln, also das Weiterleiten der gepressten Teile, erfolgt vollautomatisch per Roboter. Die bis dato nur in Bratislava verwendete Technik garantiert, dass die Aluminiumhaube nicht beschädigt wird.

Zurück in Leipzig. Die letzte Station im Karosseriebau, das Finish. Zwei Karosseriebauer kontrollieren Oberflächen und Anbauteile. „Die Fahrzeug-Geometrie muss stimmen, damit in der Montage alles perfekt passt“, erklärt Riediger. Von hier aus begeben sich die Karosserien in Richtung Lackiererei.

Das Werk Leipzig verbindet eine hochmoderne Serienfertigung mit der Exklusivität einer Manufaktur. Stichwort Individualisierung. „Zum Beispiel können wir jede vom Kunden gewünschte Außenfarbe lackieren“, sagt Roland Töpfer, der Leiter der Lackiererei, und ergänzt: „Dafür haben wir unser ,Sofa‘.“ Die Abkürzung steht für Sonderfarbsystem. Damit lassen sich Farbmengen für ein einziges Fahrzeug bereitstellen und gegebenenfalls die Farbe nach jedem Lackiervorgang wechseln.

Zunächst jedoch steht Tauchen auf dem Programm. In der Vorbehandlung zur Kathodischen Tauchlackierung (KTL) wird die Karosserie gereinigt und entfettet. Um alle Hohlräume zu erreichen, dreht sich der Macan beim Tauchgang um 360 Grad. Heckklappe, Türen – und die ausladende Motorhaube – sind speziell fixiert. Beim anschließenden elektrochemischen Vorgang der KTL liegt zwischen Becken und Karosserie eine Spannung von 380 Volt an. Dadurch ist eine gleichmäßige Beschichtung gewährleistet. Der Macan taucht insgesamt neun Mal ab. Dann geht es zum Trocknen.

Sind Schweißnähte und Flansche – die Verbindungsstellen – versiegelt, der Unterbodenschutz aufgetragen, wird es bunt. Füller, Basislack, Klarlack. In dieser Reihenfolge erhält der Macan seine individuelle Außenhaut. Während die Karosserie in die Klarlack-Kabine fährt, gehen die in weiße Schutzfolie gehüllten Lackierroboter in Position. Der grazile Schwung, den sie dabei ausführen, erinnert an einen Ober, der sich bereit macht, ein Tablett mit der flachen Hand zu tragen. Mit feinem Sprühnebel startet der Lackiervorgang, außen und innen. Zusätzliche Greifroboter ziehen dafür ganz gentlemanlike Türen auf und öffnen die Motor­haube. Die Roboter arbeiten elegant und effizient. 85 Prozent des Lacks erreichen die Karosserie­oberfläche. Das Overspray fällt also äußerst gering aus. Per Trockenabscheidesystem werden die überschüssigen Lackpartikel im Luftstrom an ein Kalksteinmehl gebunden und entsorgt. Abfall entsteht keiner. Das Kalksteinmehl wird komplett wiederverwertet. „Es geht an einen Zementhersteller. Zement wird bei 2000 Grad gebrannt, da bleibt vom Lack nichts mehr übrig“, sagt Töpfer.

Das Porsche-Werk ist eine umweltfreundliche Fabrik. Beispielsweise erzeugt die Fotovoltaikanlage auf dem Dach des Karosseriebaus pro Jahr bis zu 800 000 Kilowattstunden Strom via Sonnenkraft, das entspricht dem Jahres­stromverbrauch von mehr als 150 durchschnittlichen Vierpersonenhaus­halten. Die Lackiererei arbeitet zu 80 Prozent CO2-neutral. Die benötigte Wärme liefert ein neben dem Werk angesiedeltes Biomassekraftwerk. Nachhaltigkeit als gesellschaftliche Verantwortung, wie Produk­tionsvorstand Blume es ausdrückt.

Auch der Ergo-Lux-Tunnel, eine mit sparsamen LED-Modulen bestückte Lichtröhre, passt in dieses Konzept. Unter dem extra gleichmäßigen Streifenlicht lässt sich die Lackierung optimal kontrollieren: Zwei Mitarbeiter prüfen mit konzentriertem Blick eine Haube und streichen – ohne Handschuhe – sanft darüber. Nur so können sie Unebenheiten erfühlen, die sie anschließend wegpolieren. Jetzt ist der Macan bereit für die Montage.

Es ist die spielerische Leichtigkeit, die einem hier als Erstes auffällt. Karossen schweben an Drehgehängen vorbei oder wandern via Hubtisch von einem Fertigungstakt zum nächsten. Elektrische Routenzüge kreuzen, versorgen die Montagelinien mit Material. Eine exakt abgestimmte Harmonie, die einer höheren Ordnung zu gehorchen scheint. Dahinter verbirgt sich das Perlenkettenprinzip: ein logistischer Prozess, der ohne Lagerhaltung auskommt und in der die Teile „just in time, just in sequence“, also zur richtigen Zeit in der richtigen Reihenfolge, ans Band gelangen. Doch nicht nur das System, auch die Mitarbeiter strahlen diese Leichtigkeit aus. Im Zuge der Werkserweiterung wurden 1500 Mitarbeiter eingestellt. Alle individuell qualifiziert und in die Mannschaft integriert. „Für Porsche zu arbeiten heißt, mit Perfektion und Leidenschaft an die Dinge heranzugehen. Jeder Einzelne trägt Verantwortung, doch unsere Ziele erreichen wir nur gemeinsam“, sagt Oliver Blume. Der Vorstand ist Mannschaftsspieler. Um alle neuen Arbeitsschritte nachzuvollziehen, hat er sich während der Umbauphase selbst ans Band gestellt und an den Fertigungstakten mitgearbeitet.

In der Montage warten 225 Takte auf den Macan. Los geht’s zusammen mit dem Panamera auf der Türlinie. Hier werden zunächst die Türen komplettiert, um dann auf der Interieurlinie wieder zu verschwinden. Das erleichtert die folgenden Montageschritte, bei denen sie im Weg wären. Das komplett zusammengebaute Cockpit zum Beispiel wird mit einem speziellen Hebegerät eingesetzt.

Vor der Unterbodenlinie wechselt die Karosserie vom Hubtisch aufs Drehgehänge, „um das Arbeiten am Unterboden ergonomischer zu gestalten“, wie Montageleiter Dr. Martin Kahmeyer erklärt. Ein Prinzip des Porsche-Produktionssystems: Der Prozess, wie ein Teil verbaut wird, funktioniert nur dann so perfekt, einfach und schnell wie möglich, wenn die Mitarbeiter auch aus ergonomischer Sicht leichtes Spiel mit dem Teil haben. Unerlässlich für die gesamte Wertschöpfungskette ist die Qualitätssicherung, die sich unter anderem in dem Null-Fehler-Prinzip spiegelt: „Nimm keine Fehler an, mache keine Fehler, gib keine Fehler weiter“, lautet das Motto. Als eine qualitätssichernde Maßnahme hat Porsche den Meis­terbock für die Karosserie- und Montageteile eingeführt. Im Innenmeisterbock werden beispielsweise Montageanbauteile auf ihre Passgenauigkeit geprüft. „Mit dem Fugenrad und diesen Fugenstiften kontrollieren wir die Spaltmaße“, erklärt Fertigungsleiter Dirk Kolar und steckt einen solchen Stift in den Spalt zwischen Rücklicht und Heckschürze. Passt. „In regelmäßigen Interval­len laden wir die Lieferanten ein und zeigen ihnen, wo sie noch exakter produzieren müssen.“

Inzwischen hat der Macan die Unterbodenlinie passiert und damit so wichtige Teile wie Bremsleitungen und den Tank an Bord. An der Exterieur­linie hat er nicht nur seine Türen wiederbekommen, sondern ist jetzt auch mit Heck- und Frontscheibe ausgestattet – und auf der Motorhaube prangt das Porsche-Wappen. Jetzt steuert er auf die Mixlinie und damit auf die Hochzeit zu. Mixlinie deshalb, weil hier nun auch der Cayenne hinzukommt, und somit drei Baureihen in dieser Fabrik auf einer Linie laufen. Eine Leipziger Besonderheit. Übrigens, die Sechszylinder-Benzin-Aggregate stammen aus Stuttgart-Zuffenhausen. Per Lkw gelangen sie nach Leipzig ins Versorgungszentrum Montage und von dort zur sogenannten Antriebaufrüstung. Sie erfolgt parallel zur Karosseriemontage.

Während die Karosserie per Gehänge einschwebt, nähern sich Fahrwerk und Antriebsstrang der Vermählung auf einem fahrerlosen Transportsystem (FTS). Die feierliche Vereinigung findet vollautomatisch statt. Trauzeugen sind die Mitarbeiter eine Station später, die die Federbeine in den dafür vorgesehenen Aufnahmen verschrauben. Zur Aussteuer gehört in der Folge das Befüllen mit Kraftstoff, Brems- und Kühlflüssigkeit sowie Motoröl. Am Ende der Mixlinie steht der Macan schließlich auf eigenen Rädern. Jetzt wartet noch das Prüffeld beziehungsweise Finish. Porsche hat es für den neuen SUV um eine Linie erweitert. Hier werden die Software aufgespielt, Bremsen getestet, Scheinwerfer eingestellt, Fahrerassistenzsysteme kalibriert und – erstmals der Motor gestartet. Bevor es dann auf die Reise zum Kunden geht, bittet Porsche den Macan noch einmal zum Tanz. Diesmal allerdings nicht zum Roboter-Reigen, sondern zur Kurven-Kür auf der Einfahrstrecke. Der Macan ist beim Menschen angekommen.

Dr. Oliver Blume kennt alle Prozesse der Macan-Produktion aus eigener Erfahrung. „Auch ich als Vorstand bin Teil des Teams, deswegen ist es unerlässlich, dass ich tief in der Technik bin.“ Und wie könnte man neuen Mitarbeitern den Porsche-Geist und die Liebe zum Detail besser vermitteln, als durch einen Vorstand, der in der Produktion selbst mit anpackt?

Text: Thorsten Schönfeld
Fotografie: Stefan Warter

Macan – Was passiert wo?

Porsche hat das Werk in Leipzig für die Macan-Produktion zum Vollwerk ausgebaut. Die Prozesse in Karosseriebau, Lackiererei und Montage im Überblick

Kernwerk
1 Entladebahnhof
2 Versorgungszentrum
3 Entkopplungsmodul
4 Montagelinie
5 Endmontage
6 Pilot- und Analysezentrum
7 Casino
8 Integrationszentrum
9 Kundenzentrum

Neue Werksbereiche
10 Karosseriebau
11 Lackiererei
12 Erweiterung Versorgungszentrum
13 Neue Motor-Vormontage
14 Neue Finish-Linie
15 Integrationszentrum West
16 Fußgängerbrücke
17 Karosseriebrücke

Karosseriebau

1 Fertigung der Motorhaube
Eine produktionstechnische Meisterleistung ist die Aluminium-Motorhaube des Macan. Die Einzelteile werden gefalzt und vernietet. Zwischen dem Außen- und Innenteil wird zudem ein Hightech-Kleber aufgetragen.

2 Bodengruppe
Die Geburtsstätte des Macan, hier entsteht die Bodengruppe. Außerdem erhält der Porsche seinen „Bauplan“ – einen Transponder mit allen fahrzeug­spezifischen Daten.

3 Aufbau
Zuerst entsteht der Unter­boden, danach der Aufbau. An dieser Stelle wird der Unterboden um die Seitenteile und das Dach ergänzt.

Lackiererei

1 Der Füller
Die erste Lackschicht ist der Füller, auch Grundierung genannt. Ihn gibt es in drei Farbtönen (Weiß, Anthrazit und Hellblau). Er wird auf den anschließend folgenden Decklack abgestimmt.

2 Decklack und Klarlack
Dem Füller folgt der Decklack und damit eine von elf für den Macan angebotenen Farben. Darüber hinaus kann aber auch jede beliebige Individualfarbe lackiert werden. Abschließend folgt eine Klarlack-Versiegelung.

3 Ergo-Lux-Tunnel
Zur Lackkontrolle durchlaufen alle Macan den neuen Licht­tunnel. Dieser ist mit sparsamen LED-Modulen bestückt, deren Licht über Spiegel auf die Karosserien projiziert wird. Dabei entsteht ein Streifenlicht, in dem sich jede noch so kleine Unebenheit erkennen lässt.

Montage

1 Einbau des Cockpits
Eines der größten Komplettmodule wird bei diesem Takt in das Fahrzeug integriert: das Cockpit. Die Montage-Mitarbeiter erledigen diesen Präzisionsjob mit einem Handlinggerät, an dem das Cockpit in das Fahrzeug dirigiert wird.

2 Drehgehänge
Am Ende der Interieurlinie wechseln die Fahrzeuge vom Hubtisch aufs Drehgehänge, um das Arbeiten an Unterboden und schwer zugänglichen Bereichen ergonomischer zu gestalten.

3 Hochzeit
Hier werden das komplette Fahrwerk, die Antriebstechnik mit Motor und Getriebe, und der komplette Aufbau miteinander verschraubt.