Porsche - Top Secret

Top Secret

Prototypen sind als materialisierte Zukunftsideen und technische Geistesblitze ebenso unverzichtbar wie streng geheim. Einige sind ihrer Zeit voraus oder einfach zu kühn, aber niemals nutzlos. In jedem Porsche steckt der kreative Geist, mit dem Technik und Kunst eine erste, nicht immer serientaugliche Symbiose eingehen.

Porsche 924

Weltrekordwagen: Mit dem 924 begab sich Porsche 1976 auf neues Terrain. Als zeitgemäße Antwort auf die Energiekrise sollte der preislich attraktive und effiziente Vierzylinder-Sportwagen neue Kunden ansprechen. Auch beim Marketing wollte Porsche neue Wege gehen und plante, das Einstiegsmodell mit einer Hochgeschwindigkeitsrekordfahrt in Szene zu setzen. Die angepeilte Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 250 km/h über eine Distanz von 10 000 Meilen erforderte einen für Langstreckenrekorde optimierten Porsche 924. Das Ergebnis: Statt der serienmäßigen 92 kW (125 PS) leistete der Weltrekord-Vierzylinder-Turbo standfeste 184 kW (250 PS). Besondere Aufmerksamkeit erhielt zudem die Aerodynamik. Nach umfangreichen Tests im Windkanal lag der Luftwiderstandsbeiwert bei hervorragenden cw 0,268, sodass eine Höchstgeschwindigkeit von 280 km/h erreicht wurde. Kurz vor der im Juli 1977 geplanten Rekordfahrt wurde der Weltrekordversuch jedoch aus strategischen Gründen gestoppt. Statt auf das Hochgeschwindigkeitsoval von Nardò rollte der schnellste 924 aller Zeiten in das erst kurz zuvor gegründete Porsche-Museum.

Zeitraum: 1976/77
Motor: Vierzylinder-Turbo
Hubraum: 1984 cm³
Leistung: 184 kW (250 PS)
Leergewicht: 980 kg
Höchstgeschwindigkeit: 280 km/h

Porsche 984

Studie Sport-Zweisitzer: Als Studie für ein künftiges Fahrzeugkonzept wurde im Porsche-Entwicklungszentrum Weissach zwischen 1984 und 1987 an einem kompakten, leichten und aerodynamischen Roadster gearbeitet. Inspiriert wurde das Projekt durch einen zuvor für die spanische Marke Seat durchgeführten Entwicklungsauftrag. Als Porsche 984 sollte der kleine und kostengünstige Sportwagen in der Preisregion von 40 000 DM eine junge, sportliche Klientel ansprechen. Das Entwicklungsziel bestand insbesondere in dynamischen Fahreigenschaften, die durch geringe Fahrwiderstände anstatt durch hohe Motorleistung erreicht werden sollten. Ein niedriger Verbrauch wurde ebenfalls als Entwicklungsziel definiert. Ein Antriebskonzept mit luftgekühltem Zweiliter-Vierzylinder-Boxer-Heckmotor und einer Leistung von 88 kW (120 PS) bis 110 kW (150 PS) sollte die technische Eigenständigkeit des Modells betonen. Eine Cabriolet-Version mit einem innovativen Klapp-Festdach wurde ebenso angedacht wie ein Allradmodell für den Motorsport. Die im Zuge des 1987 stark fallenden US-Dollars einsetzende Absatzkrise führte jedoch zur vorzeitigen Einstellung des Projekts 984.

Zeitraum: 1984 bis 1987
Motor: Vierzylinder-Boxer
Hubraum: 1984 cm³
Leistung: 99 kW (135 PS)
Leergewicht: 880 kg
Höchstgeschwindigkeit: 220 km/h

Studie Typ 995

Forschungs-Pkw: Im Auftrag des Bundesministeriums für Forschung und Technologie erarbeitete Porsche 1978/79 ein Konzept zum Bau eines Zukunftssportwagens. Die Entwicklungsschwerpunkte der viersitzigen Studie Typ 995 lagen insbesondere auf Verbrauch, Sicherheit und Lärmemission. Als technische Basis des Forschungsprototyps nutzten die Weissacher Ingenieure einen Porsche 928. Besonderheiten der Studie waren unter anderem ein Fünfgang-Doppelkupplungsgetriebe in Verbindung mit zwei verbrauchsarmen Otto-Motoren. Vorgesehen waren ein hoch verdichteter Dreiliter-V8-Motor mit automatischer Zylinderabschaltung sowie alternativ ein 2,2-Liter-Vierventil-Vierzylindertriebwerk. Der Gangwechsel des Doppelkupplungsgetriebes wurde ohne Gaswegnahme elektronisch gesteuert und trug so zum hohen Wirkungsgrad des Antriebssystems bei. In Kombination mit einer leichten, aerodynamischen Aluminiumkarosserie lag der errechnete Verbrauch unter neun Liter Kraftstoff pro 100 Kilometer. Neben umfangreichen Maßnahmen zur passiven Sicherheit erhöhte ein optimiertes Fahrwerk mit Antiblockiersystem die aktive Fahrsicherheit.

Zeitraum: 1978 bis 1979
Motor: V8-Zylinder
Hubraum: 3000 cm³
Leistung: 96 kW (130 PS)
Leergewicht: 1290 kg
Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h

Porsche 959

Aerodynamikstudie C29: Auf der Frankfurter IAA stellte Porsche 1983 ein Hochleistungsfahrzeug vor, das die Innovationskraft der Marke eindrucksvoll belegen sollte: die Studie „Gruppe B“. Die serienreife Version der Studie verdeutlichte ab 1985 unter der Bezeichnung Porsche 959 die technische Kompetenz des Unternehmens. Angetrieben von einem 331 kW (450 PS) starken Boxermotor mit wassergekühlten Zylinderköpfen und Biturbo-Registeraufladung, überschritt das Fahrzeug spielerisch die Grenze von 300 km/h. Das elektronisch geregelte Fahrwerk, der programmgesteuerte Allradantrieb und die aerodynamisch optimierte Karosserie wurden zukunftsweisend für spätere Porsche-Sportwagengenerationen. Als Vorläufer des 959 repräsentiert der Typ 959 C29 die Anfänge dieses ambitionierten Projekts. An ihm wurden 1982 aufwendige Versuche im Windkanal durchgeführt, die in einem niedrigen cw-Wert von 0,31 bei gleichzeitiger Auftriebsfreiheit resultierten. Besondere Merkmale des C29 sind der bereits in die Außenhaut integrierte Heckflügel, der glattflächige Übergang von der Windschutzscheibe zur A-Säule sowie die aerodynamische Unterbodenverkleidung aus Kunststoff.

Zeitraum: 1982
Motor: Sechszylinder-Boxer-Biturbo
Hubraum: 2849 cm³
Leistung: 331 kW (450 PS)
Leergewicht: 1450 kg
Höchstgeschwindigkeit: 315 km/h

Porsche 989

Studie: Als sich Porsche in den späten Achtzigerjahren auf wirtschaftlicher Talfahrt befand, wurde Ende 1988 die Entwicklung einer neuen Baureihe mit dem Projektnamen 989 beschlossen. Als viertüriger „Familien-Sportwagen“ beziehungsweise als „Porsche für mehr als Zwei“ sollte die mit V8-Frontmotor und Heckantrieb entwickelte Sportlimousine spätestens 1995 auf den Markt kommen und ein neues Marktsegment erschließen. Doch schon während der ersten Projektphase stiegen die Entwicklungskosten des technisch anspruchsvollen Viertürers in ungeahnte Höhen, sodass der kalkulierte Verkaufspreis unterhalb von 100 000 DM nicht zu halten war. Als die Preiskalkulation schließlich 150 000 DM überstieg und die anvisierte Stückzahl von 15 000 Einheiten im Jahr nicht kostendeckend erreicht werden konnte, stoppte der Aufsichtsrat das Projekt im Januar 1991. Ganz umsonst war die investierte Arbeit jedoch nicht, denn viele Ideen und Detaillösungen fanden ihren Weg in künftige Porsche- Modelle wie etwa den 911 der Typenreihe 996.

Zeitraum: 1991
Motor: V8-Zylinder
Hubraum: 4200 cm³
Leistung: 257 kW (350 PS)
Leergewicht: 1572 kg
Höchstgeschwindigkeit:279 km/h

„Projekt: Geheim!“ im Porsche-Museum
Vom 17. September 2014 bis zum 11. Januar 2015 präsentiert das Porsche-Museum in der Sonderausstellung „Projekt: Geheim!“ nie gebaute Studien, unbekannte Forschungsfahrzeuge und getarnte Prototypen von Porsche aus den vergangenen Jahrzehnten. Insgesamt sind 14 Fahrzeuge zu sehen sowie Kleinexponate aus dem Porsche-Archiv und Filme von Erprobungen.

Look & feel

Ob Fahrverhalten, Aerodynamik oder Unfallverlauf – mit modernsten Computersimulationen kann Porsche alles am Bildschirm darstellen. Uwe Schneider, Leiter Entwicklung Gesamtfahrzeug, Erprobung und Qualität, erklärt, warum echte Prototypen dennoch eine Zukunft haben, und beleuchtet das intelligente Zusammenwirken zwischen digitaler und realer Erprobung.

Herr Schneider, warum gibt es im Zeitalter der sich ständig verbessernden Computersimulation überhaupt noch fahrende Prototypen?
Die Fahrzeugentwicklung ist heute ohne den Einsatz digitaler Werkzeuge nicht mehr vorstellbar. Wir sparen dadurch sehr viel Zeit im gesamten Entwicklungsprozess. Inzwischen können wir jedes Bauteil erfolgreich am Computer simulieren, und wir crashen diese Bauteile auch am Bildschirm. Dennoch wird die Beurteilung der realen Fahrzeuge auch in Zukunft nicht ohne Fahr-Erprobung erfolgen.

Also kein vorgezogener Ruhestand für Crashtest-Dummys?
Nein, an der Stelle muss ich Sie enttäuschen. Wir müssen zudem die ständig steigende Komplexität in den Fahrzeugen berücksichtigen. Denken Sie nur an die Varianz bei den Antrieben und den Fahrwerken sowie die immer zahlreicheren Assistenzsysteme und nicht zuletzt an das große Zukunftsthema „connected car“. Um all diese Systeme entwickeln und absichern zu können, müsste die Zahl der Prototypen eigentlich sogar noch ansteigen.

Müsste?
Mit dem Einsatz der Computersimulation können wir den Einsatz der Hardware, also der echten Prototypen, zumindest konstant halten. Die Simulation besitzt den unschätzbaren Vorteil, dass wir den digitalen Prototypen nur einmal bauen müssen und ihn dann beliebig oft einsetzen können. Damit haben die getesteten Bauteile bereits einen sehr viel höheren Reifegrad. Das stellt im Entwicklungsprozess ein erhebliches Einsparpotenzial an Zeit und Kosten dar.

Herr der Simulation und der Prototypen: Uwe Schneider ist bei Porsche Leiter Entwicklung Gesamtfahrzeug, Erprobung und Qualität

Software gegen Hardware ist also nur ein scheinbarer Gegensatz?
Es kommt letztlich auf das intelligente Zusammenspiel von digitalen und realen Prototypen an. Nur dadurch war beispielsweise die Entwicklung des Supersportwagens 918 Spyder in Rekordzeit möglich. Aber die Simulation hat eben ihre Grenzen. Und nur in einem echten Prototypen erkennen wir, wie das Fahrzeug unter echten Bedingungen reagiert. Zu diesen echten Bedingungen gehört für jeden Porsche-Prototypen selbstverständlich der Einsatz im Extrembereich, also auch auf der Rennstrecke. Jeder Porsche absolviert seinen Härtetest auf echtem Asphalt. Letztlich zählt für uns die Runde auf dem Nürburgring. Und selbstverständlich muss der Prototyp auch die Dauerlauf-Erprobung bestehen. Keine noch so gute Simulation kann den Verschleiß am Fahrzeug nach 150 000 Kilometern auf realen Straßen und auf dem Prüfgelände aufzeigen.

Wie viele Prototypen hatten Sie bei der neuen Baureihe Macan im Einsatz?
Im Entwicklungsprojekt Macan haben wir rund 190 Prototypen eingesetzt. Diese Zahl kann sich, je nach Übernahme von Teilen aus dem Baukasten und dem Neuigkeitsgrad des Fahrzeugs, verringern oder auch vergrößern.

Zählt für den Entwickler eigentlich immer noch das Popometer?
Ganz eindeutig. Letztlich muss man die Faszination Sportwagen buchstäblich erfahren. Das gilt für den Entwickler genauso wie für jeden Porsche-Besitzer. Sie müssen in den Prototypen drinsitzen, um zu erkennen und zu erleben, ob die Funktionalität und die Ästhetik stimmen. Das gehört zum Entwicklergeschäft einfach dazu.

Text Dieter Landenberger
Fotografie Rafael Krötz