Drei Buchstaben, eine Botschaft: Die zweite Auflage des Porsche 911 Carrera GTS ist die Symbiose aus Carrera S und GT3.
Kaum ein Sportwagen ist vielseitiger, variantenreicher und breiter aufgestellt als der Porsche 911. Die Palette reicht vom über Generationen zur Stilikone gereiften Coupé bis zum kürzlich vorgestellten Targa mit dem typischen Überrollbügel, vom handgeschalteten Hecktriebler mit Saugmotor bis zum geflügelten Turbo-Topmodell mit Allradantrieb und Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK). Trotz der engen Staffelung erschließt die technische Evolution immer wieder neue Nischen, in denen der Heckmotor-Klassiker oft nur in kleinen Stückzahlen – optisch expressiv und betont leistungsstark – über sich selbst hinauswächst. Zu diesen Sternschnuppen, die ganz wesentlich zur Legendenbildung beigetragen haben, gehören Derivate wie Clubsport, RS, GT2, GT3, Speedster – und GTS (Gran Turismo Sport). Allesamt extrascharf gewürzte Elfer. „Die Reaktion auf den ersten GTS, den wir in der Baureihe 997 lanciert haben, war überwältigend“, sagt August Achleitner, Leiter der Baureihe 911. „Heute wissen wir, dass sich die GTS-Version ziemlich genau mit den Vorstellungen deckt, die unsere Kunden von einem betont sportlichen und gleichzeitig komfortablen 911 haben. Diese Erkenntnis war bei der Entwicklung der zweiten Auflage Ansporn und Verpflichtung zugleich.“
Bitte einsteigen, Platz nehmen und anschnallen für die erste Ausfahrt. Die Mittelbahn der Sportsitze ist mit schwarzem Alcantara® bezogen – der GT3 lässt grüßen. Das gleiche Material findet sich am Lenkradkranz, dem Schalthebel, den Türgriffen und den Deckeln der seitlichen Ablagefächer. Alcantara® ist leichter als Leder, kommt vorzugsweise im Rennsport zum Einsatz und zeichnet sich durch seine unverwechselbare Haptik aus. Schwarze Zierleisten und Einstiegsblenden sowie der schwarze Dachhimmel komplettieren das sportliche Ambiente. Wer mag, kann auch auf andere Farb- und Materialausstattungen zurückgreifen, natürlich inklusive Porsche-Exclusive-Optionen. Grundsätzlich serienmäßig hat der GTS die breite Karosserie der Allradmodelle. Auch hier dominiert wieder Schwarz als sportliche Akzentfarbe. Das Innenleben der Bi-Xenon-Scheinwerfer mit dem Porsche Dynamic Light System (PDLS) ist ebenso abgedunkelt wie das neu gestaltete Heckdeckelgitter, die Schwellerverkleidungen, die 20-Zoll-Turboräder mit Zentralverschluss, die Auspuffendrohre samt Schürze und die neue Blende zwischen den Heckleuchten der GTS-Modelle mit Hinterradantrieb. Die Allradversionen ziert das typische rote Leuchtenband.
Heckansichten: Alle GTS-Elfer haben die Allradkarosserie mit den hinten weit ausgestellten Radhäusern und dem neu gestalteten schwarzen Heckdeckelgitter
Sportlich und elegant: Lenkradkranz und Sitzmittelbahnen sind mit Alcantara® bezogen. Ziernähte, Stickereien und Ränder der Sicherheitsgurte sind in der Wagenfarbe Rhodiumsilber gehalten
Auch in diesem 911 macht der Ton die Musik. Zwar ohne Turbo-Pfeifen und -Fauchen, aber sonorer, und vor allem jenseits von 4300 Touren klingt er akustisch noch intensiver: Durch die Sportabgasanlage wirkt er deutlich präsenter und wird von einer breiter gefächerten Drehzahlkoloratur begleitet. Über Klappen gesteuert ist der Carrera GTS unter Last und im Schubbetrieb noch stimmgewaltiger, aber selbst während der markanten Schalt-Stakkatos klingt er nie platt und prollig. „Wir haben die Atmungsorgane des Triebwerks grundlegend überarbeitet; deshalb erkennt man den GTS auch am eigenständigen Sound“, erklärt Thomas Krickelberg, Projektleiter Antrieb in der Baureihe 911. „Wenn bei 4300 Umdrehungen pro Minute die Klappe des Luftsammlers aufgeht, hat das ebenso einen Einfluss auf die Tonalität wie das Zuschalten des zweiten Ansaugkanals bei 6300/min. Auf den letzten 1200 Touren steht spürbar mehr Leistung zur Verfügung – mit 316 kW (430 PS) hat diese Variante gegenüber Carrera S und Carrera 4S um 22 kW (30 PS) zugelegt. Gleichzeitig bleibt die Drehmomentkurve mit einem Spitzenwert von 440 Newtonmetern länger konstant. Damit kombiniert der GTS-Motor die Elastizität des Carrera S mit einem zusätzlichen Kraftschub im Nennleistungsbereich“, sagt Krickelberg.
Breitenwirkung: Die 20-Zoll-Turboräder mit Zentralverschluss sind aus Aluminium und exklusiv für den GTS in Schwarz-Seidenglanz lackiert
Den Sprint von 0 auf 100 km/h absolvieren der 911 Carrera GTS und der 911 Carrera 4 GTS mit PDK in 4,0 Sekunden. Doch wenn es um Emotionen geht, sind Zahlen oft nur Schall und Rauch. Deshalb ist die geringfügig fixere Beschleunigung gegenüber den Carrera-S- und 4S-Modellen am Ende des Tages eine ebenso relative Größe wie die um 2 km/h höhere Endgeschwindigkeit oder der laut Neuem Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unveränderte kombinierte Verbrauch des Carrera GTS von 8,7 l/100 km. Was wirklich zählt, sind die Fahreindrücke, die Fahreigenschaften, das Fahrerlebnis.
Auch in diesem Porsche ist die linke Hand aller Lüste Anfang, denn die Linke schiebt den Zündschlüssel ins Schloss und zelebriert mit einer gefühlvollen Drehung die Surroundsound-Premiere für die Resonanzsauganlage mit 6 plus 1 schaltbaren Klappen, geglätteten Ansaugkanälen, neuen Einlass-Nockenwellen mit vergrößertem Ventilhub, angepasstem Ventilfederpaket, zwei schaltbaren Abgasklappen und überarbeiteter Motorsteuerung.
August Achleitner, Leiter der Baureihe 911 (re.), und Thomas Krickelberg, Projektleiter Antrieb in der Baureihe 911
Im Heck arbeitet ein 3,8-Liter-Boxer mit 316 kW (430 PS)
Der neue Elfer wird als Coupé und als Cabrio, als GTS mit Heckantrieb und als 4 GTS mit Allrad angeboten. Serienmäßig gibt es das in seinen Schaltkräften verfeinerte Siebengang-Schaltgetriebe, das PDK ist optional. Bis an den Begrenzer bei 7800/min dreht der 3,8-Liter-Sechszylinder freilich nicht im siebten Gang, der – verbrauchs- und komfortorientiert – lang ausgelegt ist. So richtig spürbar wird das PS-Upgrade-Erlebnis oberhalb von 6300/min, wenn die sechs Klappen zusätzliche Kanalquerschnitte für die Resonanzaufladung freigeben. Besonders intensiv verwirklicht dieser Elfer den dynamischen Spannungsbogen aus Hochdrehzahl-Euphorie, kurzzeitiger Momentenüberhöhung und nahtlos geschmeidigem Schaltvorgang jedoch im Sportprogramm des PDK-Räderwerks, bei dem kleine Zeigefinger-Befehle große Wirkung zeigen.
Breiter, tiefer, leichter – ideale Voraussetzungen für ein flinkeres Handling, mehr Kurvengriff und noch bessere Fahrleistungen. Der GTS wiegt bei optionalem Wegfall der Rücksitzanlage fast sieben Kilogramm weniger als der Carrera S, er liegt satt auf dem Asphalt und er vermittelt dank des PASM-Sportfahrwerks (Porsche Active Suspension Management, serienmäßig mit zehn Millimeter Tieferlegung) eine Extradosis Agilität. Sozusagen Porsche- Fahrspaß Plus, mit den Parametern Stilistik, Haptik, Akustik und Dynamik.
Die Sport-Design-Außenspiegel runden den GTS-Auftritt ab
Auch das Zifferblatt des Drehzahlmessers passt sich dem Interieur-Paket an – hier in Rhodiumsilber
Weniger Elfer will man nicht, mehr Elfer braucht man nicht. Dennoch lohnt ein Blick in die Liste der Verführungen. Die enthält unter anderem die variable Momentenverteilung Torque Vectoring Plus (Serie bei PDK), das PASM-Sportfahrwerk mit 20 Millimeter Tieferlegung und ein Aerodynamikpaket, die Wankkompensation PDCC (Porsche Dynamic Chassis Control) sowie als Option für die Hecktriebler einen 90-Liter-Tank. Für noch mehr Reichweite – und die Extraportion GTS-Vergnügen.
Text Karl Kroiss
Fotografie Christoph Bauer