Inneres Drehmoment
Der Gipfelstürmer Thomas Bubendorfer überträgt die Philosophie der
Touren mit Thomas Bubendorfer, egal ob er sie allein geht oder in der Gruppe, enden immer im Ich. Das ist hoch über der Côte d’Azur, an der blauen Bucht von Cap Ferrat, nicht anders. Es ist ein Wandeln auf den Spuren von Friedrich Nietzsche, der den Weg hinauf nach Èze nahm, um dort „Also sprach Zarathustra“ zu schreiben, sein „Buch für Alle und Keinen“. Es ist steiles, steiniges Gelände, wie gemacht für den
Thomas Bubendorfer ist eine Art emotionaler Ingenieur. Es ist kein Zufall, dass er schon lange
Wer sich jetzt auf ein freundliches Schwelgen unter Sportwagenfreunden einstellt, der wird gleich enttäuscht. Eher überrascht: „Viele Menschen wissen mehr über ihr Auto als über ihren Körper.“ Natürlich ist das eine Provokation, aber eine bewusste. Thomas Bubendorfer kennt das Extrem nicht nur aus den Steilwänden, er kennt auch die oft nicht minder hohen An- und Herausforderungen, denen der Mensch in der modernen Arbeitswelt begegnet. So wie
Und er, dessen Glück und Leben manchmal nur an zwei oder drei Fingern hing, weiß auch um Zweifel und Verzweiflungen. Er selbst schätzt diese ungeheure Freiheit, allein zu sein. Bereit zu sein, die richtigen Entscheidungen für sich zu treffen, hat nach seiner Lehre viel mit der eigenen Bereitschaft zu tun. Dem inneren Drehmoment. Und zwar dem intelligenten. Philosophie und Sport zu verbinden, was er auch in vielen Büchern schon getan hat, basiert auf einem Ur-Erlebnis. Mit 15 machte Thomas Bubendorfer 300 Klimmzüge am Tag, konnte 40 Kilometer laufen. An der Tür erwartete ihn der Großvater und fragte: „Und was hast du für deinen Kopf getan?“ Auf die Antwort, morgens aufs Gymnasium gegangen zu sein, bekam er zu hören: „Du machst mehr Sport als die anderen, dann musst du dich auch mehr geistig bewegen.“ Hundert Seiten Literatur am Tag machte er sich zur Pflicht – auch, damit er immer eine Antwort auf die großväterliche Frage hatte.
Thomas Bubendorfer spürt, dass das richtige Bewusstsein für die richtige Performance häufig erst geweckt werden muss. Den eigenen Körper fit zu machen wie einen Sportwagen – den Verbrauch senken und dabei kontinuierlich die Leistung erhöhen – das ist seine Mission. Work-Life-Balance mag vielen als Modewort erscheinen, deshalb schickt er gleich voraus: „Ein Guru bin ich nicht.“ Und auch, dass er selbst nicht frei sei von Fehlern: „Fast jeder Mensch hat Schwächen, denen er intelligent Rechnung tragen muss. Er darf dabei nicht zu starr nach Perfektion streben.“ Das unterscheidet den Menschen dann allerdings von der Maschine. Prinzipiell gehe es immer um den Weg hinauf, nicht um den kurzen Moment der Glückseligkeit auf dem Gipfel: „Dieser Weg ist lang, und je intelligenter ich ihn bewältige, desto länger kann ich ihn gut meistern.“ Langlebigkeit und Wertbeständigkeit wiederum sind dann eine stimmige Parallele zum Automobil.
Er will Wegweiser sein, nicht nur hier auf Nietzsches Stufen, und die Geste der offenen Hand liegt ihm viel mehr als der erhobene Zeigefinger. Thomas Bubendorfer, eigentlich eine fröhliche Natur, wird ernst, wenn er darüber spricht, dass man immer mehr Menschen regelrecht auf die Wichtigkeit der Regeneration hinweisen müsse, die deshalb ein ganz wesentlicher Bestandteil seines Peak-Performer-Prinzips ist. Viele bedrücke das Thema regelrecht, sie könnten es aber dennoch nicht zulassen, da im Alltag ja ständig mehr Leistung gefordert werde. Der Mensch und sein ewiges 24-Stunden-Rennen.
Im Alltag geht es nicht immer bloß ums Siegen. „Intelligente Leistung hat einen ganz anderen Ansatz und Bezug. Natürlich müssen die Zahlen stimmen, im Sport wie in der Wirtschaft“, sagt er, „aber es geht eben nicht mehr um das uralte olympische Prinzip des ,Schneller, höher, stärker‘, sondern um Leistung mit einer Nachhaltigkeit, die den Menschen und seine Umwelt schont, und die somit über das Heute hinaus auch für morgen gültig ist.“ Sinngemäß: Der Sportwagen lebt vor, was der Mensch anstrebt. Um stilecht im Bild zu bleiben, müssten wir uns jetzt in die Garage begeben. Denn zu den Thesen, mit denen der Leistungsmensch Bubendorfer immer wieder überrascht, gehört auch: „Die Voraussetzung für Leistung ist Ruhe. Es bringt überhaupt nichts, wenn ein gestresster Mensch, der auch noch schlecht schläft, sich stundenlang aufs Rennrad setzt oder durch den Wald hetzt.“ Wenn er davon spricht, vor allem ausgeruht zu sein, dann spürt man die Ausrufezeichen hinter der These, dass der tiefe Schlaf vor der Bewegung kommen müsse: „Bringt die Drehzahl runter, dann ist sie auch da, wenn ihr sie mal im hohen Bereich braucht.“
Mehr Arbeitskraft, das bedeutet für den Motivator das Ausschöpfen aller Potenziale, und damit für seine Klienten vor allem mehr Effizienz und mehr Entwicklungsfähigkeit. Klingt einleuchtend, und klingt fast zu einfach, um es umsetzen zu können. Thomas Bubendorfer, der mit 21 seinen ersten Vortrag vor Managern hielt, weiß natürlich um die Zweifler. Deshalb geht es in seinen Seminaren nicht nur um schöne Worte, sondern auch um gnadenlose Werte. Der aus dem Spitzensport bekannte Laktattest ist Pflicht, über das gemessene Salz der Milchsäure kann damit die ideale Herzfrequenz für den Leistungsbereich ermittelt werden. Darüber hinaus gibt es als eine Art Burnout-Versicherung die Messung der Herzfrequenzvariabilität. Die gilt erst dann als in Ordnung, wenn sich der Motor des Menschen zwischen dem Pulsschlag möglichst unruhig verhält – was nur auf den ersten Blick paradox erscheint. So ergeben sich sportwissenschaftliche Tabellen, die wie eine Bilanz gelesen werden können – die des eigenen Lebens.
„Das Richtige kann man nur mit dem richtigen Wissen tun“, weiß Thomas Bubendorfer. Intelligente Performance ist eine Art Bedienungsanleitung für den eigenen Körper. Bloß dass man die nicht im Handschuhfach findet, sondern nur bei sich selber entdecken kann.
Eine steile Karriere
Schon früh haben Thomas Bubendorfer die Berge „angesprochen“.
Bereits mit 16 Jahren schrieb Thomas Bubendorfer Geschichte im Bergsteigen, als er der jüngste Alleinkletterer äußerst steiler Felswände wurde. Es folgten mehr als 100 Alleingänge in den österreichischen Alpen. Mit 18 bezwang er eine der schwierigsten Felswände der Alpen, die 900 Meter hohe Nordwestwand der Civetta in den Dolomiten – als Zweiter im Alleingang. Und in nur vier Stunden. Der Erste war Reinhold Messner gewesen, der sieben Stunden dafür gebraucht hatte.
Mit 21 Jahren wandte Thomas Bubendorfer seinen seilfreien Alleingangsstil in den höchsten, schwierigsten und gefährlichsten Steilwänden der Alpen an, den Nordwänden von Matterhorn, Eiger und Grandes Jorasses (Montblanc-Gebiet). Er bestieg diese Wände teilweise doppelt so schnell wie sämtliche Vorgänger mit Seil. Es folgten viele weitere spektakuläre Eroberungen im Alleingang, – wie die 3000 Meter hohe Südwand des Aconcagua in den Anden, die Bubendorfer als Erster an einem einzigen Tag ohne Seil bestieg. Ein einziges Mal stürzte er ab: 1988, bei Werbeaufnahmen. Den 20 Meter tiefen Fall in ein steiniges Bachbett überlebte er mit neun gebrochenen Wirbeln und einem zertrümmerten Sprunggelenk.
Trotz 35-prozentiger Invalidität schaffte er seine schwierigsten Besteigungen nach diesem Unfall. In den letzten zwölf Jahren hat sich Thomas Bubendorfer auf das Besteigen gefrorener Wasserfälle, auf technisch schwierige Erstbesteigungen im Himalaja und auf extremes Winterklettern spezialisiert. So gelangen seit der Jahrtausendwende mit verschiedenen Partnern mehr als 30 äußerst schwierige Erstbesteigungen in den Alpen und in Tibet. Er klettert etwa 120 Tage im Jahr.
www.bubendorfer.com
Text Elmar Brümmer
Fotografie Günther Göberl, Lorenzo Belfrond for GRIVEL, Steffen Jahn