Der Weg nach Le Mans
Die neue Langstrecken-Saison hat bereits begonnen. Der
Rendezvous bei der Saisonvorbereitung in Bahrain. Es geht auf Mitternacht zu. Der 2015er
Hitzinger und seine Mannschaft haben den Evolutionsgedanken umgesetzt. Das klingt nach Justierung von ein paar Stellschrauben, bedeutet aber faktisch, dass zwar das Grundkonzept beibehalten, doch jedes Detail angefasst wurde. Der 919 Hybrid verfügt weiterhin über einen Downsizing-
Die Verbrennungseffizienz des nun noch leichteren und steiferen Zweiliter-Vierzylinders wuchs weiter. Die tragende Funktion des 90-Grad-V-Motors im Chassis wurde durch Geometrieanpassungen für eine bessere Gesamtsteifigkeit ebenfalls optimiert. Zur Leistungssteigerung und für eine effizientere Aerodynamik löste eine Doppelrohrauspuffanlage den zuvor zentralisierten Abgastrakt ab. Der Verbrennungsmotor treibt die Hinterachse mit klar über 368 kW (500 PS) an. Auch beim mittragenden, sequenziell geschalteten und hydraulisch betätigten Siebengang-Renngetriebe gelang der Spagat, es gleichzeitig leichter, aber auch steifer und robuster auszulegen. „Parallel haben wir die Schaltzeiten weiter reduziert“, ergänzt Hitzinger.
Mehr Leistung bei reduziertem Gewicht ist das Resultat der kompletten Überarbeitung des Hybridsystems. An der Vorderachse wird beim Bremsen kinetische Energie in elektrische umgewandelt. Das zweite Rückgewinnungssystem sitzt im Abgastrakt. Der Abgasstrom treibt – praktisch parallel zum
Wie bei der Wahl des Antriebskonzepts sind die Ingenieure in der WEC auch bei der Wahl der Speichermedien frei. „Dabei muss man das Speichermedium auswählen“, erklärt Hitzinger, „das am besten zum jeweiligen Hybridsystem passt. Es ist immer ein Abwägen zwischen Leistungsdichte und Energiedichte.“ Je höher die Leistungsdichte des Speichers, desto schneller kann Energie zugeführt und abgerufen werden. Je höher die Energiedichte, desto mehr Energie kann gespeichert werden. Beide Werte maximal hochzuhalten, ist physikalisch unmöglich. Hitzinger: „Unsere Lithium-Ionen-Batterie hat bei der Leistungsdichte fast das Niveau von Superkondensatoren, aber eine viel höhere Energiedichte. Sie kann schnell viel Leistung aufnehmen und abgeben, hat ein überschaubares Gewicht und eine relativ hohe Speicherkapazität.“
Beim Einsatz der elektrischen Energie wägen die Fahrer ab: Boosten sie den Speicher irgendwo auf der Runde im Zweikampf weitgehend leer, werden sie vielleicht auf der Geraden abgehängt, weil ein Konkurrent noch Reserven hat. Je größer die elektrische Energiemenge ist, die ein Fahrer pro Runde abrufen kann, desto weniger Kraftstoff darf er einsetzen. So fördert das Reglement innovative Hybridtechnik und sorgt gleichzeitig für Chancenausgleich zwischen den Konzepten. Der
Das Monocoque aus Carbonfaser in Sandwichbauweise ist jetzt in einem anstatt zwei Teilen gefertigt, deutlich leichter und dennoch steifer. „Das ist einem verbesserten Lagenaufbau zu verdanken“, erklärt der Technikchef. Kompromisse bei der Sicherheit würde er nie eingehen. Das hat sich schon ausgezahlt: Keine halbe Stunde vor dem ersten Sieg des Vorgängerautos beim Saisonfinale 2014 in Brasilien entkam Mark Webber einem haarsträubenden Unfall nahezu unverletzt.
Bei der Aerodynamik ging es neben der Effizienz auch um Sensitivität: eine geringere Anfälligkeit gegen Wind, Lenkwinkel, Schwimm- und Rollwinkel. Diese Störfaktoren verändern den Luftfluss um das Auto, beeinträchtigen die Fahrstabilität und kosten dadurch Speed. Grundsätzlich fahren die Aerodynamiker zweigleisig: Die langen Geraden von Le Mans verlangen derart geringen Luftwiderstand, dass der Abtrieb auf das Nötigste begrenzt werden muss. Für die anderen Rennstrecken braucht man mehr Abtrieb.
Es wird wieder laut. Mit seiner neuen Doppelrohrauspuffanlage klingt der 919 noch satter. Nico Hülkenberg schaltet in den siebten Gang, boostet und staubt. Marc Lieb, die schnellste Symbiose aus leidenschaftlichem Rennfahrer und Ingenieur, schaut den Sandwirbeln nach. Und was bedeutet es nun, mit diesem neuen
Text Heike Hientzsch
Fotografie Jürgen Tap
Alle Neune
Die drei Fahrercrews müssen sehr hohen Ansprüchen genügen.
Bei der Fahrerbesetzung bleiben die beiden Trios aus dem Vorjahr unverändert: Timo Bernhard (Deutschland), Brendon Hartley (Neuseeland) und Mark Webber (Australien) haben jetzt die Startnummer 17. Mit der 18 starten Romain Dumas (Frankreich), Neel Jani (Schweiz) und Marc Lieb (Deutschland). In Spa und in Le Mans teilen sich Earl Bamber (Neuseeland), Nico Hülkenberg (Deutschland) und Nick Tandy (Großbritannien) einen dritten Prototypen mit der Startnummer 19.
Fritz Enzinger, der Leiter des LMP1-Programms (Foto), hat volles Vertrauen in alle neune: „Dass jeder Einzelne schnell und clever ist, versteht sich als Grundvoraussetzung, aber in der WEC und speziell in Le Mans zählen noch andere Werte. Konstant hohe Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sind ein Muss. Ein anderer Punkt ist die Integrations- und Teamfähigkeit. Im dichten Verkehr ist zudem Verständnis beim Überrunden langsamerer Fahrzeuge gefragt. Dieser Sport ist nichts für Solisten.“