Porsche - Im Hochdruckgebiet

Im Hochdruckgebiet

911 Turbo (WLTP)*
12,3 – 12,0
l/100 km
279 – 271
g/km
G
Klasse
911 Turbo Cabriolet (WLTP)*
12,5 – 12,1
l/100 km
284 – 275
g/km
G
Klasse
911 Turbo S (WLTP)*
12,3 – 12,0
l/100 km
278 – 271
g/km
G
Klasse
911 Turbo S Cabriolet (WLTP)*
12,5 – 12,1
l/100 km
284 – 275
g/km
G
Klasse
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Der aufgeladene Boxer im Heck des 911 Carrera S leistet 309 kW (420 PS).

Sich immer wieder neu zu erfinden ist eine der großen Stärken des Porsche 911. Der spürbare Beweis: Mit neuem Turbomotor startet der Elfer in ein neues Zeitalter.

Es ist dem Anlass nicht angemessen, dass eine tiefe Wolkendecke über dem Werkstor hängt. Mehr Feierlichkeit wäre angebracht gewesen und natürlich Sonnenschein statt dieser Schlechtwetterphase. Schließlich ist es das erste Mal, dass der neue Porsche 911 in die freie Wildbahn entlassen wird, fertig entwickelt und voller Tatendrang.

Brummelnd rollt er aus dem Entwicklungszentrum Weissach nach Norden. Es fühlt sich zunächst an wie immer. Gut, der Bildschirm des neuen Porsche Communication Managements (PCM) ist größer geworden. Aber zu behaupten, man fühle, dass sich der Durchmesser des aus dem 918 Spyder übernommenen optionalen Sportlenkrads von 375 auf 360 Millimeter verkleinert hat, wäre Hochstapelei.

Die Fingerspitzen müssen mit ihren Meldungen ohnehin warten, das Ohr fordert die volle Aufmerksamkeit im Sinneszentrum. Ist er noch da? Jener Sechszylinder-Boxersound, der ihn im Konzert der Sportmotoren einzigartig macht – vom heiser bedrohlichen Röcheln bis zum befreiten Aufschrei, wenn die Nadel des Drehzahlmessers die 6000er-Grenze hinter sich lässt und Richtung 7000 eilt.

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Beim Beschleunigen beeindruckt der Motorsound. Bei der optionalen Sportabgasanlage sind die Endrohre mittig angeordnet.

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Das optionale Sportlenkrad stammt aus dem 918 Spyder.

Klar, es gibt schon seit den Siebzigern den 911 Turbo, aber das war immer ein eigenes Thema. Das Mantra der Zuffenhausener Motorenmänner lautete bislang: Hubraum und Drehzahl, damit ergab sich der Rest von allein. Aber in einer Welt limitierter Flottenverbräuche und verschärfter Abgasnormen muss auch der Boxer mit der Zeit gehen. Jetzt also ein Dreiliter, statt deren 3,8 oder 3,4. Dafür aber zwei verschiedene Turbolader und Verdichter für die Modelle Carrera und Carrera S. Also Kraft ohne Ende, aber kein Sound mehr? Von wegen! Auf der Landstraße weicht die Sorge der Freude. Schon beim ersten beherzteren Tritt aufs Pedal unseres 911 Carrera S meldet sich von hinten das lieb gewonnene blecherne Brüllen. Wenn er will, jubelt er immer noch, aber das ist die herrliche neue Botschaft: Er muss nicht.

Bislang brauchte der Carrera S gut 5000 Umdrehungen, um in den maximalen Wellness-Bereich seiner Muskeln zu gelangen. Aus 440 Nm wurden in der neuen Version nicht nur 500, sie sind auch schon bei 1700 Umdrehungen alle da. Im Würmtal weist das Navigationssystem plötzlich den Weg nach links in einen steilen Hohlweg. Das ist der Klassiker, der sonst den rechten Fuß nach unten zucken und die linke Hand im manuellen Modus des Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes (PDK) hektisch am Schaltpaddel ziehen lassen würde. Aber der Drehzahlmesser zeigt beim Erklimmen der Rampe 2500 Touren, mehr braucht es nicht.

Ohne jede Anspannung marschiert der 911 voran, eilt vom eng von Bäumen überschatteten Hohlweg hinauf ins Licht der Hügelkuppe. Im Ansaugtrakt zischen wütende Schlangen, dabei sind die mit bis zu 200 000 Umdrehungen laufenden Lader klein dimensioniert, um ein bestmögliches Ansprechverhalten zu gewährleisten. „Unser Ziel war es, dass er sich nicht wie ein Turbo anfühlt“, sagt Baureihenleiter August Achleitner. Der Carrera S entfesselt auf Wunsch 420 Pferdestärken. Bei der Leistungsentfaltung mag man kaum glauben, was für ein Motor da im Heck arbeitet, und fragt sich unwillkürlich: „Die haben doch beim Hubraum was draufgepackt, oder?“

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Bei gemächlicher Fahrt schließen sich die Kühlluft-Lamellen in der Bugschürze, um Kraftstoff zu sparen.

Eben nicht. Stattdessen den Verbrauch um bis zu einen Liter abgesenkt. Das berühmte Kloster von Maulbronn passiert der neue 911 mit tiefem Bassbrummen, das man eher von tibetischen Mönchen kennt. Zivil bewegt fährt er sich auf Wunsch niedertourig wie ein Turbodiesel. Die rechts in der Armaturentafel untergebrachte Ladedruckanzeige steht bei moderatem Gaseinsatz selbst an leichten Anstiegen auf null.

Die Orte auf dem ersten Ausflug tragen Namen wie aus dem Märchenbuch: Freudental und Sternenfels. Schmale Kirchtürmchen recken sich aus zusammengedrängten Häuschen mit Fachwerkfassaden. Die Straßen winden sich durch waldige Täler und über sanfte Hügel. Das ist Elfer-Territorium. Hier ist er großgeworden.

Aber die Beschaulichkeit von Landschaft und Ortschaften zwischen Stuttgart und Pforzheim täuscht. In Schuppen, Garagen und Kellern ging es im heutigen Bundesland Baden-Württemberg immer schon sehr geschäftig zu. Es ist das Land der Tüftler und Erfinder. Und da wollte sich die aktuelle Generation von Ingenieuren in Weissach nicht lumpen lassen. Während der neue Elfer eine Gerade vor Bad Liebenzell inhaliert, ist ein Teil der Atemwege geschlossen. In der neu gestalteten Frontschürze schließen sich während der Fahrt automatisch die Kühlluftklappen, um den Luftwiderstand zu senken und Kraftstoff zu sparen. Wenn maximaler Motoreinsatz erforderlich ist oder die Wassertemperatur in großer Hitze zu sehr ansteigt, öffnen sie sich wieder. Davon bekommen die Insassen nichts mit – außer, wenn sie den Benzinverbrauch im Auge behalten, der beim Carrera S mit PDK dank der gebündelten Maßnahmen an Motor und Umfeld auf einen NEFZ-Normverbrauch von 7,7 Liter Super pro 100 Kilometer gesunken ist.

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Das Elfer-Vergnügen liegt vor allem darin, jederzeit größte Kräfte entfesseln zu können, es aber nicht zu müssen – und eben nicht vor aller Welt damit zu protzen.

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Das neue Porsche Communication Management (PCM) berücksichtigt Online-Verkehrsdaten in Echtzeit.

Im Sport Chrono Paket enthalten ist neuerdings ein Drehschalter, der in der Sport-Einstellung das Elektronenhirn des PDK zur Obacht mahnt und im Supersport-Modus die Muskeln der Stabilisatoren anspannt, die Dämpfung auf straff schaltet und die Klappen des optionalen Sportauspuffs öffnet. Der Clou ist die Individualfunktion. Im Menü für Fahrzeugeinstellungen kann der Fahrer auf einer Taste seine Lieblingseinstellungen für Fahrwerk, Getriebe und Sound bündeln.

Letzterer ist immer noch eine Ohrenweide. Auf dem kurzen, in die Route eingebauten Autobahnstück zwischen Pforzheim und Heimsheim setzt im Sechszylinder-Orchester – wie beim Sauger mit Höchstdrehzahl – ein fetziger Bläsersatz ein. Achleitners Mannen haben in der Rückwand einen zweiten Soundsymposer eingebaut. Die zusätzliche Membran verhindert, dass durch die beiden Turbinen im Abgastrakt die Akustik auf der Strecke bleibt. Allein der blecherne Aufschrei der Trompeten macht das ruckfreie Jagen durch die sieben Fahrstufen zum Vergnügen.

Aber unter uns: Noch größer ist der Spaß bei Handarbeit. Denn gerade wenn die Drehzahl vermeintlich zu niedrig ist, zeigt der Doppelturbo sein wahres Potenzial. Schon bei 3000 Touren fühlt er sich pudelwohl. Auf den Höhen vor Eberdingen lassen sich die Gänge mit der Wippe fast im Sekundentakt ohne jede Kurbelwellenhysterie durchschalten. Rennfahrer nennen das Shortshifting und wenden die Technik früher Schaltpunkte eher bei Glätte oder sich anbahnenden Getriebeschäden an. Im neuen 911 dagegen ist es pures Understatement. Das Vergnügen liegt vor allem darin, jederzeit größte Kräfte entfesseln zu können, es aber nicht zu müssen – und eben nicht vor aller Welt damit zu protzen. Es ist weniger die große Euphorie als die stille Freude, die sich im limbischen System ausbreitet. Glücksforscher sind überzeugt, sie ist das ausdauerndere Wohlgefühl.

Das neue, jetzt auch interaktive Kommunikationssystem meldet Staus in Karlsruhe und Leonberg – in Echtzeit, aber die sind auf den Landsträßchen zwischen Tiefenbronn und Unterreichenbach weit weg. Das neue PCM zieht sich seine Kartendaten bei Bedarf selbsttätig vom zertifizierten Server, der Fahrer kann die Routen aber auch am heimischen PC zusammenstellen und an das Auto schicken. Und sollte er den Elfer ausnahmsweise verleihen, ist dieser über das Smartphone jederzeit zu lokalisieren.

Hinter der Stadtmauer von Weil der Stadt weist das Navigationssystem wieder nach Norden Richtung Heimat, und als das Wastegate fröhlich durch die Hügel faucht, sagt eine innere Stimme blasphemisch: Nie wieder Sauger! Und obwohl der neue Turbomotor den 911 mit auf maximal 1,1 bar komprimierter Ansaugluft eher moderat aufgeladen durch die Lande treibt, hat der Ladedruck offenbar ausgereicht, das schlechte Wetter zu vertreiben. Goldgelb wiegt sich die Gerste auf den Feldern, der Mais steht mannshoch Spalier. Beim Cabrio, das zeitgleich mit den Coupé-Versionen debütiert, würden wir spätestens jetzt das Verdeck öffnen. Die Sonne bricht durch die Wolkendecke – Vorbote für ein hoffentlich lang anhaltendes, stabiles Hochdruckgebiet.

Text Markus Stier
Fotografie Steffen Jahn

911 Carrera S (Typ 991 II)

Motor: Sechszylinder-Boxer-Biturbo
Hubraum: 2981 cm³
Leistung: 309 kW (420 PS)
Max. Drehmoment: 500 Nm bei 1700–5000/min
0–100 km/h: 4,3 (4,1*) s
Höchstgeschwindigkeit: 308 (306*) km/h
CO2-Emission (kombiniert): 199 (174*) g/km
Verbrauch innerorts: 12,2 (10,1*) l/100 km, außerorts: 6,6 (6,4*) l/100 km, kombiniert: 8,7 (7,7*) l/100 km
Effizienzklasse: F (E*)

911 Carrera (Typ 991 II)

Motor: Sechszylinder-Boxer-Biturbo
Hubraum: 2981 cm³
Leistung: 272 kW (370 PS)
Max. Drehmoment: 450 Nm bei 1700–5000/min
0–100 km/h: 4,6 (4,4*) s
Höchstgeschwindigkeit: 295 (293*) km/h
CO2-Emission (kombiniert): 190 (169*) g/km
Verbrauch innerorts: 11,7 (9,9*) l/100 km, außerorts: 6,3 (6,0*) l/100 km, kombiniert: 8,3 (7,4*) l/100 km
Effizienzklasse: F (D*)

* mit Porsche-Doppelkupplungsgetriebe

Was tun in Weissach?

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Forschungs und Entwicklungszentrum Weissach, Deutschland, Luftaufnahme, © Google Inc.

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Porsche

Zwischen Weissach und Flacht liegt das Forschungs- und Entwicklungszentrum von Porsche. Nach Stuttgart-Zuffenhausen ins Porsche-Museum oder zur Werksbesichtigung sind es gut 22 Kilometer. www.porsche.com/museum

Schwarzwald

In knapp 45 Minuten erreicht man die Schwarzwaldhochstraße, die zum Cruisen einlädt und mit spektakulärer Natur lockt – ob Wald, Berge, Seen oder Wasserfälle, der Schwarzwald bietet von allem reichlich. http://www.schwarzwaldhochstrasse.de

Kloster

Rund 26 Kilometer nordwestlich von Weissach befindet sich das Kloster Maulbronn. Es gilt als die am vollständigsten erhaltene Klosteranlage nördlich der Alpen. Der Zisterzienserorden begann Mitte des 12. Jahrhunderts mit dem Bau, über die Jahrhunderte entstand eine ganze Klosterstadt. Die Anlage gehört seit 1993 zum Unesco-Weltkulturerbe. www.kloster-maulbronn.de