Porsche - Sound Check

Sound Check

718 Boxster (WLTP)*
9,7 – 8,9
l/100 km
220 – 201
g/km
G
Klasse
911 Carrera (WLTP)*
10,7 – 10,1
l/100 km
244 – 230
g/km
G
Klasse
911 Carrera 4 GTS (WLTP)*
11,1 – 10,5
l/100 km
251 – 239
g/km
G
Klasse
911 Carrera GTS (WLTP)*
11,0 – 10,5
l/100 km
251 – 239
g/km
G
Klasse
Vorläufige Werte 911 Carrera T (WLTP)*
11,1 – 10,5
l/100 km
251 – 238
g/km
G
Klasse
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Klangkörper: Die Tonalität des Sounds muss zum Charakter des Motors passen. Der größere Sechszylindermotor des 911 behält deshalb auch bei hohen Drehzahlen durchgehend einen sonoren Bass als Grundklang.

Damit jeder Porsche wie ein Porsche klingt, komponieren Akustikexperten die richtige Melodie für die neuen Modelle. Von aktuellen Boxermotoren bis hin zum rein elektrischen Antrieb der Zukunft: Die Porsche-Experten im Entwicklungszentrum in Weissach entwerfen individuelle Soundkonzepte für jede Motorengeneration.

Ein Solist der Extraklasse betritt die Bühne. Die Stille im Raum ist vollkommen, als Zuhörer wagt man kaum zu atmen. Dann erhebt er die Stimme, beweist gleich zu Beginn Virtuosität durch ein, zwei Koloraturen, um dann mit leiser Bassstimme weitere Spannung aufzubauen. Ein paar Takte später beginnt das Crescendo, in dessen Verlauf die Stimme durch ein Orchester nahezu aller Tonlagen unterstützt wird. Vom Bass über den Tenor bis hin zum Sopran. Finale furioso mit unbändiger Kraft, Gänsehaut beim Zuhörer. Dann bricht die Aufnahme ab und Bernhard Pfäfflin lächelt. „Klasse, oder?“, fragt er.

Der kurze Track eines 911er-Solos zeigt wesentliche Merkmale, die jeder Porsche erfüllen muss: Der Klang ist nicht eindimensional, sondern umfasst ein breites Frequenzspektrum. Ein Charakterzug, der einen Porsche von brummelnden Amerikanern und zu Hysterie neigenden Italienern unterscheidet. Sowohl der Klang als auch die Lautstärke variieren mit der Last – also mit der Position des Gaspedals. „Damit schaffen wir für den Fahrer eine zusätzliche Orientierungsmöglichkeit“, erläutert Pfäfflin. Der 49-Jährige ist Entwicklungsleiter für Schwingungstechnik und Akustik, oder anders formuliert: Dr. Pfäfflin ist für den Porsche-Sound zuständig.

Dabei soll der Klang eines jeden Modells zum Charakter des Autos passen. Ein GT3 muss rocken, klar. Ganz wichtig für Pfäfflin: „Ein Auto muss nach der Leistung klingen, die drin ist.“ Kein synthetischer Pop also, sondern echte Musik von echten Instrumenten. Die Klangkörper freilich werden so abgemischt, dass sich in jedem Belastungszustand ein harmonisches Klangbild ergibt.

Damit dies gelingt, reicht es für Pfäfflin nicht abzuwarten, bis die Fahrzeugingenieure und Motorenentwickler erste Prototypen bauen. Das Streben nach gutem Klang beginnt weit früher. Wenn Antrieb und Auto sich noch im digitalen Schöpfungsprozess befinden, berechnet der Akustikspezialist Bernd Müller bereits unzählige Varianten von Abgasanlage und Schalldämpfern – genauer gesagt, die Auswirkungen unterschiedlicher Konstellationen auf den Sound des Wagens, denn Müller ist für die Gaswechselakustik bei Porsche verantwortlich. So entstehen Hunderte von Audiodateien. „Man kann dadurch ein Auto hören, bevor es als physikalischer, als realer Prototyp existiert“, fasst Müller das digitale Wunder ganz bildhaft zusammen. Gemeinsam mit erfahrenen Kollegen destilliert er aus der Vielfalt der Möglichkeiten drei bis vier Alternativen. Varianten, die dem Vorstand präsentiert werden – und dort, das hat Müller erlebt, mit einer vergleichbaren Intensität diskutiert werden wie ein Designentwurf für die Außenhaut. Ist die Entscheidung gefallen, beginnt Müller mit der Spezifikation der Abgasanlage. Vom Rohrdurchmesser bis zu den Abmessungen des Schalldämpfers legt er die entscheidenden Parameter fest, die später für den perfekten Sound sorgen werden.

Porsche 718 Boxster, four-cylinder engine - Sound level illustration
Porsche 718 Boxster, four-cylinder engine
Sound level illustration
Porsche 911 Carrera, six-cylinder engine - Sound level illustration
Porsche 911 Carrera, six-cylinder engine
Sound level illustration


Für einen wie Müller, Herzblut-Akustiker seit zwei Jahrzehnten, wäre die Arbeit dann getan, wären da nicht die Antriebsentwickler im Hause, die immer wieder neue und wichtige Motoreninnovationen konzipieren. Die breit gefächerte Einführung von Turbomotoren, die ersten Vierzylinder seit vielen Jahren, Plug-in-Hybridfahrzeuge und künftig sogar eine rein batterieelektrisch betriebene Sportlimousine – das sind für Müller faszinierende Herausforderungen und für die Marke Porsche Schritte von großer Bedeutung.

Die Tuba in der Abgasanlage

Die neuen Turbo-Boxer-Motoren mit 3,0 Liter Hubraum schieben den neuen 911 Carrera noch schneller an. Schon in der Basisvariante spurtet er in 14,8 Sekunden von null auf 200 km/h, knapp eine Sekunde schneller als sein Vorgänger. Zu verdanken ist der schnelle Drehmomentaufbau vor allem zwei Turboladern, die jeweils eine Zylinderbank beatmen. So faszinierend der Vorschub für den Fahrer ist, für Müller bedeutete das neue Motorenkonzept eine doppelte Aufgabe. Das Abgas aus dem Motor strömt nun zunächst in die Turbine, dadurch verändert sich die Strömungsgeschwindigkeit und damit das Klangbild. Das gesamte Frequenzspektrum verschiebt sich, weil bestimmte Tonhöhen dadurch stärker gedämpft werden als andere.

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Orchesterprobe: Dr. Bernhard Pfäfflin (links) und Bernd Müller vor dem Soundcheck eines Sechszylindermotors.

Darüber hinaus entwickeln die Turbolader, die mit bis zu 200 000 Umdrehungen pro Minute rotieren, selbst eine ganz eigene Geräuschkulisse: das bekannte Turboladerpfeifen. Das ist per se nicht schlecht, zeigt es dem Fahrer doch an: Jetzt kommt der Schub. Zu vermeiden galt es allerdings, einen störenden Dauerton bei schneller Autobahnfahrt zu erzeugen. Zwei Herausforderungen, die der Akustiker durch verschiedene technische Maßnahmen gut gemeistert hat. Beispielsweise wird das Waste-Gate-Ventil, das den Abgaszustrom zum Lader regelt, in bestimmten Betriebspunkten auch nach akustischen Anforderungen betrieben. Als dritte Anforderung sollte diesmal auch ein Kundenwunsch berücksichtigt werden, der häufiger an die Porsche-Akustiker herangetragen wurde: Die Sportabgasanlage – eine Zusatzoption bei der Konfiguration – sollte noch kerniger klingen, trotz der tendenziell dämpfenden Wirkung des Laders. Müllers Team fand die Lösung: Eine spezielle Konstruktion des Endschalldämpfers, kombiniert mit einer Verlegung der Endrohre zur hinteren Fahrzeugmitte hin, sorgt jetzt für zusätzliche Bässe. Die Änderungen machten es möglich, eine bestimmte Rohrlänge zwischen Katalysator und Auspuffmündung zu erreichen. Ähnlich wie bei einer Tuba variiert nämlich auch bei einer Abgasanlage die Tonhöhe mit der Länge des Instruments.

Asymmetrie und Resonanz

Mit dem Frühling präsentierte Porsche im 718 Boxster auch eine neue Generation von Vierzylindermotoren. Ein Feld, das Porsche seit dem Auslaufen des 968ers Mitte der Neunzigerjahre zwei Jahrzehnte lang nicht bedient hatte. Bei dem Boxermotor des 718 handelt es sich um ein ganz neues Instrument im Porsche-Orchester.

Der Grundton eines Motors wird im Wesentlichen durch seine Zylinderzahl bestimmt. In einem Vierzylinder kommt es pro Kurbelwellenumdrehung zu zwei Zündungen. Akustisch dominiert damit zunächst die sogenannte zweite Motorordnung. Auf sich allein gestellt, klänge ein solcher Motor etwas raubeinig. Deshalb haben sich die Akustiker in Weissach gemeinsam mit den Motoreningenieuren eines eleganten Tricks bedient: Der Auslasskrümmer, über den das Abgas zunächst in den Turbolader strömt, ist bewusst asymmetrisch gestaltet. Dadurch entstehen Obertöne (sogenannte Nebenordnungen) und schaffen ein angenehmes, viel runderes Klangbild.

Die Abgasanlage des 718er dient der weiteren Verfeinerung des Sounds. Dafür wird der Abgasmassenstrom hinter dem Katalysator wieder auf zwei Stränge von ungleicher Länge verteilt. Das kürzere Rohr mündet in einem klassischen Schalldämpfer, der vor allem den Gesamtpegel dämpft. Der längere Strang führt zunächst zu einem Helmholtz-Resonator. Dessen Namensgeber, Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz, lebte und forschte im 19. Jahrhundert in Berlin. Wie viele seiner Zeitgenossen war er Universalgelehrter, beschäftigte sich mit Nervenzellen genauso wie mit Energieerhaltungssätzen oder mit Magnetfeldern. Zu seinen bedeutendsten Entdeckungen gehört der nach ihm benannte Resonator. Dabei handelt es sich um einen mit Luft gefüllten Behälter mit nur einer Öffnung. Strömt nun pulsierende Luft – also Schall – an der Öffnung vorbei, gerät die Luft im Behälter in Schwingung und erzeugt ebenfalls einen Ton. Je nachdem, wie die geometrischen Abmessungen gewählt werden, kann die Eigenfrequenz des Resonators einen bestimmten Ton zumischen oder auch einen vorhandenen Ton löschen – Feinjustierung für den feinen Sound. Jenen Klang, der über die beiden Endrohre schließlich an das menschliche Ohr dringt.

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Sound-Maschine: Der neue Motor der Baureihe 718 orchestriert den Wagen ganz entscheidend über seine Abgasanlage. Sie mündet deshalb in zentral platzierte Endrohre, damit so ein längerer Resonanzkörper entsteht.

Komponieren für den Elektromotor

Mit der Serienentwicklung des Mission E ändert sich auch die Mission der Akustikspezialisten von Porsche. Denn so faszinierend das Beschleunigungsvermögen eines rein elektrischen Fahrzeugs auch ist, der dabei entstehende Sound ist extrem leise und wird zudem von hohen Frequenzen dominiert. Zwar ist der Klang der Stille in bestimmten Situationen durchaus von Vorteil, etwa wenn man frühmorgens als Erster das Haus verlässt, aber im Stadtverkehr profitieren Fußgänger und Radfahrer auch davon, dass sie ein Auto hören können, bevor sie es sehen. In einigen Staaten, zum Beispiel den USA, sind daher bereits Gesetze in Vorbereitung, die eine bestimmte Mindestlautstärke bei Pkws vorschreiben. Ein neuer Sound muss also her – doch welcher?

Die erste Frage, die sich Pfäfflin und Müller stellten: Was passt zum Charakter des Fahrzeugs? Klar ist: Was immer sie auch komponieren, es darf getreu der Porsche-Philosophie kein Klang sein, der nichts mit dem Fahrzeug zu tun hat. Eine klare Absage also an Kunstklänge à la Star Wars. „Es wird für den Kunden nicht möglich sein, für seinen elektrischen Porsche einen neuen Sound herunterzuladen wie einen Klingelton für sein Mobiltelefon“, sagt Pfäfflin. Die Porsche-Experten glauben auch nicht, dass es sinnvoll ist, bei einem so grundlegend neuen Produkt und neuer Technologie schon zu Beginn der Entwicklung eine Massenmeinung einzuholen.

„Jeder Kunde hat eine ganz individuelle Haltung“, so Pfäfflin. „Doch wie soll man eine Sinfonie beurteilen, die man noch nie gehört hat? Unsere Kunden erwarten von Porsche immer auch eine Orientierung.“ Wie die Serienversion des Mission E klingen wird, ist noch nicht entschieden. Sicher ist jedoch, dass die Rolle der Akustiker in der Fahrzeugentwicklung noch wichtiger wird. Denn trotz des über Innen- und Außenlautsprecher verstärkten Sounds fällt das absolute Geräuschniveau geringer aus. Daher ist es entscheidend, dass keine Störgeräusche auftreten, weder von mechanischen Bauteilen noch bei höherer Geschwindigkeit durch den Fahrtwind. Eine enge Zusammenarbeit mit den Entwicklerkollegen, beispielsweise im Windkanal, soll für Pfäfflin und Müller sicherstellen, dass am Ende der Porsche-Klang steht. Sollte im Fahrversuch dann doch ein Misston auftreten, haben die beiden noch ein Wundermittel parat, das bereits bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zum Einsatz kam: die akustische Kamera. Die Kombination von Fotosensor und Richtmikrofonen ermöglicht es, in den Tiefen der Karosserie verborgene Schallquellen sichtbar zu machen.

Große Oper

Die Akustikexperten von Porsche sind keine Künstler, sondern Ingenieure und Physiker. Nüchtern beschäftigen sie sich mit Motorordnungen, Strömungsberechnungen, Frequenzanalysen. Und doch: In manchen Momenten durchbricht schlagartig ein emotionales Ereignis den Arbeitstag der Experten. Etwa wenn sie auf der Suche nach Vorbildern in einer eigens aufgebauten Akustikdatenbank stöbern und auf den Klang eines historischen Le-Mans-Rennwagens stoßen. „Da bekomme ich Gänsehaut“, gesteht Pfäfflin. Da capo, bitte, bei jedem neuen Porsche-Modell, unabhängig, welcher Antrieb es in die Zukunft beschleunigt!

Autor Johannes Winterhagen
Fotograf Markus Bolsinger