Staubtrocken

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Alles wird dokumentiert: die gesamte Testfahrt per Kamera am Auto und die Fahrzeugdaten elektronisch.

Panamera extrem. Qualität kommt von Qual. Für das Ziel, die sportlichste Limousine der Luxusklasse zu perfektionieren, führt der Weg der Erprobungscrew durch Südafrika. Er ist steinig. Und staubig. Und heiß.

07:04 Uhr
Anfang März. Kapstadt. Die haptische Rückmeldung der Druckschalter in der Mittelkonsole scheint noch nicht perfekt. Und der Lastschlag im Getriebe zwischen dem zweiten und dritten Gang ist den Entwicklern noch entschieden zu hart. Die Porsche-Ingenieure sind auf Erprobungstour. Alle Vorbereitungen zur heutigen Testfahrt mit dem neuen Panamera sind abgeschlossen. Das letzte Briefing bevor die Motoren starten ist ein Moment des Sammelns. Noch einmal wird fokussiert, worauf das Augenmerk liegt. Es geht um Feinjustierung, darum, der Sportlimousine die finale Perfektion zu geben.

09:53 Uhr
Franschhoek. Diese liebliche Weingegend am Fuße der Drakenstein-Berge unweit von Kapstadt. Der Panamera fährt die kurvenreiche Passstraße hinauf, beschleunigt aus einer Kehre, orchestriert vom neuen V8-Biturbo. Vier Liter Hubraum liefern beides: die grenzenlose Bereitschaft zur Leistung und einen Sound, der diese Souveränität zum Klingen bringt. Der schwarze, leicht getarnte Wagen agiert mühelos im Kurvenslalom Richtung Gipfel, hängt mit mehr als 4000 Touren ohne Atempause am Gas. Dann springt der Erprobungsfahrer in die Eisen, oder präzise: Er aktiviert die hochmoderne Keramikbremse. Nur Sekunden später hören wir im Stand den entspannten Bass des Achtzylinders – Gelassenheit hoch acht. Prüfung bestanden.

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Faktor Mensch: Die Eindrücke des Reporters landen ganz analog im Notizbuch.

Panamera-Baureihenleiter Dr. Gernot Döllner wechselt aufs Gas, treibt den großen Porsche weiter durch den ansteigenden Kurven-Parcours. Das Cockpit-Display zeigt an: Fahrdynamikregelung PASM im Sport-Modus. Erst beim Öffnen der Lenkung kehrt die Atmung zurück. „Der neue Panamera wiegt im Prinzip rund 80 Kilogramm weniger als sein Vorgänger“, so Döllner. Durch zahlreiche zusätzliche Neuerungen bleibt das Gewicht aber in der Summe auf dem Stand des Vorgängers. Ein Plus bei Komfort, Sportlichkeit und Sicherheit also, aber kein Plus beim Gewicht. Dass der Neue in allen Disziplinen dynamischer auftreten wird als sein Vorgänger, ist neben einer deutlichen Leistungssteigerung unter der Fronthaube vor allem den Feinjustierungen zu verdanken. „Wir werden jeden Tag noch ein kleines bisschen besser“, sagt der Ingenieur. Genau das ist sein Job. Er trägt mit der Simultaneous- Engineering-Teamorganisation die Verantwortung für die gesamte Baureihe Panamera. Wenn seine Aufgabe erledigt ist, fährt der neue Panamera in die Showrooms. Doch im Moment wartet die Kolonne der schwarzen Karossen, die mit Staub bedeckt und teilweise noch verklebt eine eindrucksvolle Aura von Souveränität ausstrahlen, auf die nächste Tortur. Die Sonne knallt aus dem flirrenden Blau des Himmels auf die Porsche-Limousinen – Testobjekte, die bereits in der Eiseskälte des Polarwinters ihre Bewährungsprobe bestanden haben. Das Erprobungsteam ist immer dabei. Klirrende Kälte, brennende Hitze: Der Erprobungsprofi weiß, dass die Natur alles fordert. Er weiß aber auch, dass den Prüfungen des Tages häufig kurze Nächte der Problemlösung folgen. Bis am Ende Hunderttausende Testkilometer abgespult sind – und jeder Lastwechsel ein Genuss ist und Schalter präzise funktionieren. Der Ehrgeiz, die sportlichste Limousine der Luxusklasse fertigzustellen, motiviert und fordert alles.

10:47 Uhr
Hermanus. Der Küstenort in der Provinz Westkap ist im südafrikanischen Winter einer der besten Plätze zur Walbeobachtung. Während die ersten Urlauber zum Cliff Walk aufbrechen, stärkt sich das Porsche-Team bei Müsli und Spiegeleiern.

Am Stopp in Hermanus werden die Autos betankt, die weitere Route akribisch besprochen. Erprobungsleiter Christian Kunkel stellt sicher, dass die Sprechfunkverbindung steht, die Messinstrumente und Datenlogger im Kofferraum hochgefahren sind. Dann starten die Motoren wieder. Seit zwei Wochen jeden Tag die gleiche Routine. Das Programm heute weist 600 Kilometer Landstraße aus. Extreme Fahrprofile liegen in Südafrika dicht beieinander: rauer Asphalt, nicht selten durch Unterspülung plötzlich abgesenkt, Kurven mit progressiven Radien, wechselnde Klimazonen zwischen Atlantik und dem Indischen Ozean.

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Linientreu: Die Wagen fahren immer in derselben Reihenfolge auf exakt definierten Routen.

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Perfektion: Die Schotterpisten eignen sich optimal für die Fahrwerksabstimmung.

Passstraßen führen auf mehr als 3000 Meter Gipfelhöhe, knochenharte Schotterpisten durch heiße Wüstenabschnitte – und immer wieder lauern Gefahrenmomente durch streunende Tiere. Südafrika hält Herausforderungen für Autos und Ingenieure bereit, die auf Prüfständen in Weissach zwar simuliert, aber letztlich nur in der Praxis zuverlässig überprüft werden können. „Das reibungslose Zusammenspiel aller Baugruppen kann ausschließlich im Fahrbetrieb abgesichert werden“, komprimiert Dr. Oliver Seifert die Aufgabe der Südafrika-Crew in der typischen Diktion eines Ingenieurs. Seifert ist für das komplexe Entwicklungsfeld Elektrik/Elektronik verantwortlich. Sein Bereich unterliegt immer kürzeren Zyklen – und die Bandbreite der Aufgaben wächst rasant. Allein das neue ACC-System (Adaptive Cruise Control) korrespondiert mit 13 Steuergeräten. Auch beim Material zeigt der Panamera dank des Alu-Anteils seine Zukunftsfähigkeit. Leichtbau ist das Schlüsselwort. So besteht die Bodenstruktur einschließlich Mitteltunnel komplett aus Aluminium, ebenso wie die Karosserie. Hochfeste Stahllegierungen in A- und B-Säulen garantieren Torsionssteifigkeit und Insassenschutz.

Die Außenmaße der Sportlimousine sind gegenüber dem Vorgänger fast unverändert, doch die neue Karosserie erscheint flacher – ein Kunststück der Designabteilung. So nimmt die Oberkante der Windschutzscheibe dem Dach rund 10 Millimeter ab, während die Flyline hinten um mehr als 20 Millimeter tiefer herunterreicht. Zudem laufen die C-Säulen zum Heck länger aus. Der coupéhafte Eindruck lässt den neuen Panamera sportlicher erscheinen. Außen gleiche Maße, innen mehr Raum – ein weiteres Phänomen, das dem um 30 Millimeter gestreckten Radstand zuzuschreiben ist. Das Resultat: noch mehr Kniefreiheit im Fond und zusätzlich ein größeres Kofferraumvolumen, jetzt bei 500 Litern. „Mehr Platz für Testgeräte während der Erprobungsfahrten“, kommentiert knapp ein Testfahrer.

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Zwischenstand: Längs- und Querdynamik des Erprobungsfahrzeugs überzeugen selbst den kritischsten Tester. Baureihenchef Dr. Gernot Döllner zeigt sich zufrieden mit der Erprobungsfahrt.

13:22 Uhr
Kleine Karoo, eines der schönsten Reiseziele Südafrikas, Halbwüstenlandschaft auf der Hochebene. Der Panamera rollt auf 21-Zoll-Rädern ab, die eine 10 Millimeter schmalere Spur mit sich bringen und als weiteres optisches Element die elegante Silhouette abrunden. Komplett neu entwickelte Motoren treiben das Flaggschiff mit mehr als 500 PS an. Ihre Kraft portioniert das Achtgang-Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK). Es weist weniger Reibwiderstände auf und senkt den Durchschnittsverbrauch signifikant.

Siebter und achter Gang sind lang ausgelegt – auch das senkt den Spritverbrauch. Seine Höchstgeschwindigkeit erreicht der Panamera Turbo mit aufgeladenem V8-Aggregat im sechsten Gang. Das Entwicklungsziel lautete, ausreichend Kraft bereitzustellen, wenn der Pilot hohe Fahrdynamik wünscht, und Treibstoff zu sparen, wenn man im Verkehr mitschwimmt.

Noch während Döllner von der Präzision der neuen elektrischen Lenkung schwärmt, funkt Kollege Kunkel: „Fahrerwechsel! Zehn Minuten Pause zum Erfahrungsaustausch.“ In der Parkbucht spannen die Ingenieure schwarze Neoprenmatten über Armaturenträger, Mittelkonsole und Türverkleidungen. Das neue, noch streng geheime Interieur soll vor den Kameras möglicher Paparazzi geschützt sein.

Kunkel zieht Döllner zur Seite. Die beiden beraten den wenige Minuten zuvor aufgetretenen Abfall der elektrischen Lenkunterstützung im Stand nach dem Start des V8-Benziners in warmem Zustand. Seifert kommt hinzu: Die Ursache liege im unterschiedlichen Softwarestand der beteiligten Bauteile, lautet seine Expertise. Die Lösung ist bereits bekannt. Ein kurzes Software-Update, und das Problem sei behoben. Kunkel bittet einzusteigen. Die Nachmittagspause lockt. Noch 240 Kilometer bis dorthin.

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Einsamkeit: Die raue Schönheit der Landschaft registriert das Team nur am Rande.

Nach der Berghatz gleitet der Panamera nun mit nahezu geräuschlosem Tempo 120 durch die rotbraune Landschaft. Verantwortlich für den moderaten Fahrstil ist InnoDrive – die neueste Generation des adaptiven Geschwindigkeits-Regelautomaten (ACC). Dieses teilautonome Fahren mit aktivem Gas- und Bremseingriff bringt bis zu zehn Prozent Verbrauchsvorteil. Warum wir den Motor nicht hören, erklärt der Blick auf den Drehzahlmesser: nur 1400 Touren.

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Rückzug: Dort, wo niemand die Ruhe stört, betrachten die Ingenieure die Messergebnisse.

Wenn der Fahrer vom Gas geht, fällt das Triebwerk sogar ins Standgas. Der Panamera segelt dann, wie das im Technikerjargon heißt. Zudem reicht die Skala des zentral platzierten Tourenzählers nur bis 5000. Das bedeutet: Hier arbeitet das neue V8-Dieselaggregat mit vier Liter Hubraum. Es bleibt im Teillastbereich akustisch völlig im Hintergrund, kann aber auch anders: Dazu wechselt man über ein Rändelrad im Lenkrad in den Fahrmodus Sport Plus. Blitzschnell schaltet das Getriebe in den passenden Gang für maximale Drehmomentausbeute, die Gasannahme wird geschärft, der Wagen schnellt nach vorn. Doch selbst dafür benötigt der Panamera 4S Diesel wenig mehr als 2000 Touren. Er röhrt etwas heiser, doch ohne die Stimme ernsthaft zu heben. Ein trockenes Klacken begleitet die präzisen und vergleichsweise frühen Gangwechsel, unverändert schnell eilt die Tachonadel voran. 160, 170, 190 – der Schub dauert an, treibt Wagen und Herzschlag.

16:08 Uhr
Nachmittagspause. Das Erprobungsteam nutzt die Rast zur Diskussion. Zufrieden mit dem heutigen Tag? Alle lächeln. Wie ist der Wert der zweiwöchigen Erprobungsfahrt einzuschätzen, was bringt es, mit so vielen Kollegen gleichzeitig unterwegs zu sein? Das gemeinsame Erfahren sei ungeheuer produktiv, so der einheitliche Tenor. Während Komponenten getrennt entwickelt werden, perfektioniert man hier vor Ort ihr Zusammenspiel. Vieles geht schneller hier draußen. Manchmal hilft auch die andere Atmosphäre, um offen Fragen anzugehen, Probleme zu betrachten. „Die Wahrheit liegt auf der Straße“, lautet eine schlichte, aber sehr treffende Entwicklerweisheit. Tiefgründigere Fragen werden über Nacht an die Entwickler in Weissach delegiert, Vorschläge aus dem Hauptquartier kommen häufig schon am nächsten Tag zurück. Und es klingt wie aus tiefem Technikerherzen gesprochen: „Papierschlachten im heimischen Büro können eher zu Spannungen führen als das klare Regelwerk einer Abnahmefahrt.“ Eine sympathischere, haptische Rückmeldung der Schalter in der Mittelkonsole, die der Chef am Morgen kritisiert hatte, sei bereits in Arbeit, ist das umgehende Feedback aus Weissach. Inzwischen treiben die Ingenieure ihre Panamera-Flotte über mit Geröll garnierte Staubstraßen. Gewaltige Schlaglöcher setzen Luftfederfahrwerk und Niederquerschnittsreifen zu. Immer wieder erschüttern massive Schläge die Karosserie. Niemand beachtet die verwilderte Landschaft, die Blicke weisen konzentriert geradeaus. Je dichter der Staub, desto dünner die Kommunikation im Erprobungsfahrzeug. Als die Strecke wieder über Asphalt führt, wird ein kurzer Stopp eingelegt, um die Felgeninnenseiten und die Bremsscheiben von Staub zu befreien. Ingenieur Kunkel verteilt Wasserflaschen. Jemand klopft sich Staub aus Hemd und Hose. „Solche Straßen wird kaum ein Kunde jemals befahren“, sagt Kunkel, „doch sie bringen jede Materialschwachstelle zu Gehör.“

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Tempo machen: Die Erprobungsfahrzeuge dürfen mit Sondergenehmigung Vollgas geben.

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Feierabend: Die Testwagen verschwinden gut bewacht unter blickdichten Planen.

18:29 Uhr
Riversdale, eine Kleinstadt in der Farmergegend zwischen Kapstadt und George. Es geht Richtung Quartier, und der Stallgeruch scheint das Tempo zu treiben. Die Testkarawane darf Geschwindigkeiten fahren, die über dem gesetzlichen Tempolimit liegen. Die Genehmigung dafür liefert ein offizielles Zertifikat, dass Highspeed zu Testzwecken erlaubt, aber verantwortungsvollen Umgang erwartet. Nur noch rund 250 Kilometer bis zur ersehnten Dusche. Als die verdreckte Panamera-Flotte ihre Tiefgaragenplätze erreicht, ist es fast 21 Uhr. Die Motoren dürfen endlich ruhen, ein leises Knistern begleitet die Abkühlung des Materials. Die Testwagen verschwinden unter blickdichten Planen. Wer nun erwartet, dass auch die Testcrew in den Entspannungsmodus schaltet, kennt Erprobungsfahrten bei Porsche nicht. Nach kurzen Telefongesprächen mit der Familie zu Hause folgen Gespräche über Auffälligkeiten des Tages. Den einen stört die Schwingungsanregung einer Seitenverkleidung auf dem kritischen Abschnitt vor dem Franschhoek-Pass, dem anderen könnte die Rückstellfeder eines Staufachdeckels stärker sein. Über alle Äußerungen wird Protokoll geführt. Zeit für das Dinner. Erst jetzt, nach stundenlanger Konzentration auf die komplexesten Regelwerke menschlicher Mobilität, fahren die Spannungsregler des Porsche-Erprobungsteams herunter.

23:33 Uhr
Das Ende eines langen Tages, einer staubigen Tour, an dem jeder Fahrer mehr als fünf Liter Wasser trinkt. Trotzdem wird der Baureihenleiter noch die Anmerkungen der Crew in Ruhe durchgehen, die Tour des Tages im Kopf nachfahren – immer auf der Suche nach diesem einen Detail, das noch nicht passt.

Text Jürgen Zöllter
Fotos Tim Adler