Porsche - Le Mans Gastfreundschaft

Le Mans Gastfreundschaft

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Teamwork: Jacky Ickx, sechsfacher Le-Mans-Gesamtsieger, diskutiert im Jahr 1977 mit Renningenieur Wolfgang Berger in der Porsche-Werkstatt in Teloché.

Die Porsche-Legende von Le Mans beginnt in einer Dorfgarage. Eine kleine Werkstatt, wenige Kilometer entfernt von der Rennstrecke, ist mehr als 30 Jahre die Heimat des Porsche-Teams. Dort, in Teloché, wird der Grundstein für die kommenden Le-Mans-Siege gelegt.

Frankreich im Juni 1951. Eine Garage in der Straße des 8. Mai im Dorf Teloché, etwa sieben Kilometer südlich von Le Mans. In der Nacht vor dem XIX. 24-Stunden-Rennen von Le Mans wird in einer kleinen Werkstatt in der Nähe der Rennstrecke fieberhaft an zwei silbernen Porsche geschraubt. Sie tragen die Startnummern 46 und 47. Die Stimmung ist angespannt. Die Vorbereitungen zum Rennen verliefen alles andere als glatt – drei von vier in Zuffenhausen präparierte 356 SL haben die Testfahrten nicht überstanden. Noch in der Nacht vor dem Start versuchen Mechaniker bei der Nummer 47 alles, aber sie schaffen es nicht mehr. Porsche geht nur mit einem Fahrzeug auf die Piste.

Mit Staunen nimmt die Automobilwelt die Nachricht auf, dass die seit 1948 existierende Sportwagenmarke Porsche als einziger deutscher Hersteller ausgerechnet beim traditionsreichsten französischen Langstreckenrennen an den Start geht. Dies ist nicht nur sportlich, sondern auch politisch eine Ansage. Nur wenige Jahre nach Kriegsende sind deutsche Automobilhersteller in Frankreich noch nicht überall willkommen. Zwar hat Le-Mans-Renndirektor Charles Faroux auf dem Pariser Automobilsalon 1950 ausdrücklich um die Teilnahme Porsches geworben, doch bestehen aus der Zeit der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkrieges noch viele Ressentiments. Den Ausschlag für eine Teilnahme gibt letztendlich die Initiative von Auguste Veuillet, dem künftigen Porsche-Generalimporteur für Frankreich, der in Le Mans nicht nur als Fahrer an den Start gehen, sondern sich vor Ort zusammen mit Rennleiter Paul von Guilleaume auch um die Organisation für Porsche kümmern will.

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Startklar: Die 911 Carrera RSR mit den Startnummern 47 und 48 ziehen die Blicke der Motorsportfans auf sich (1973).

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Unscheinbar: Von außen deuten nur einige Werbeschilder aus der Automobilbranche und eine kleine Zapfsäule darauf hin, dass sich in diesem Backsteingebäude eine Werkstatt befindet (1964).

Doch wo soll das Rennteam Quartier beziehen? Auguste Veuillet wird in Teloché fündig. Der Garagenbesitzer Georges „Jojo“ Després vermietet dem Porsche-Team einen Teil seiner Werkstatt. Für Deprés ist dies keine einfache Entscheidung, denn von Nachbarn und Kunden wird er teils hart dafür kritisiert, Deutsche in den Ort zu holen. Für die Zuffenhausener Rennmannschaft hingegen ist Teloché wegen seiner Lage ideal: Die Überführung der Autos zur Rennstrecke kann auf eigener Achse erfolgen, eine umständliche Verladung auf Anhänger oder Transporter ist überflüssig. Zudem existierte damals am Ende der Hunaudières-Geraden eine Art Hintereingang zum Rennkurs, sodass die stauträchtige Hauptzufahrt gemieden werden kann.

Das Rennen findet am 23. und 24. Juni 1951 statt. Auguste Veuillet und Edmond Mouche erzielten im 356 SL einen Klassensieg in der Wertung bis 1100 cm3 sowie einen bemerkenswerten 20. Gesamtrang. Dieser Sieg brachte Porsche nicht nur in Frankreich, sondern auch international viel Sympathie und Aufmerksamkeit ein. Und in Zuffenhausen reifte die Entscheidung, Le Mans dauerhaft in den Rennkalender aufzunehmen. 1952 und 1953 standen jeweils drei Werkswagen, ab 1954 sogar vier am Start. Mit zwei Mechanikern pro Fahrzeug plus dem Stab des Porsche-Rennleiters wuchs die Größe der Porsche-Rennmannschaft stetig, die Jahr für Jahr nach Teloché reiste. Die Bewohner vermieteten ihre Gäste-, Schlaf- und Kinderzimmer an Porsche und es entstanden über die Jahre viele Freundschaften. Nun verübelte es keiner im Dorf dem Team, wenn die Rennwagen bei Testfahrten morgens oder abends lärmend durch den Ort fuhren oder erst nach Mitternacht vom Training zurückkehrten. Im Gegenteil: In der Bar „Café des Sport“ von Madame Peschard stand morgens ab 7 Uhr das Frühstück bereit, und selbst wenn das Team spät von der Rennstrecke zurückkehrte, gab es noch ein Abendessen für die Porsche-Crew.

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Vorbereitung: Fachgespräche um den 924 GTP, den Porsche speziell für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans entwickelt hat. Walter Röhrl (links im Bild vor dem Motor) und Jürgen Barth fuhren damit auf Platz sieben im Gesamtklassement (1981).

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Pechvogel: Im Vorbereitungsrennen siegte der Porsche 917/20, im Rennen 1971 fiel der Wagen aus. Bis heute blieb das rosafarbene Coupé ein Einzelstück.

Mit der Gruppe C und dem Porsche 956 begann Anfang der 1980er-Jahre eine neue Ära des Rennsports, die deutlich mehr technischen Aufwand forderte. Die Mechaniker arbeiteten fortan direkt im Fahrerlager neben den Renntransportern. Damit war die Porsche-Rennwerkstatt in Teloché Geschichte.

Text Dieter Landenberger