Idealzustand

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Testfahrt: Porsche-Entwickler Philipp Peglau diskutiert mit Vanina Ickx Fahreindrücke.

Die Kontrolle der Instabilität. Mit Sicherheit ans Limit: Der neue Sportmodus des Porsche Stability Managements hilft ambitionierten Porsche-Fahrern über die Schwelle zum Grenzbereich – und beim Ausloten des perfekten Fahrvergnügens.

Vehement nähert sich der 911 Turbo S der Linkskurve. Erst im letzten Moment packen die Keramikbremsen zu und verzögern den roten Allradler mit aller Macht. Der Lenkimpuls fällt hart, geradezu rabiat aus – rennstreckenerfahrene Neunelfer-Fahrer wissen: Das war zu viel des Guten. Jetzt kann nur noch das Porsche Stability Management (PSM) ein heftiges Auskeilen des Hecks verhindern. Normalerweise. Im neuen Sport-Modus jedoch verzichtet das PSM auf drastische Regeleingriffe. Trotzdem bleibt der zu erwartende Dreher aus. Stattdessen tänzelt der 580-PS-Sportwagen in ein gutmütiges, kontrolliertes Übersteuern. Das Manöver sieht absolut beherrschbar, ja sogar richtig schnell aus. Sehr zur Freude von Vanina Ickx. Und Philipp Peglau.

Ickx hat das Volant des bärenstarken 911-Topmodells fest im Griff. Die zierliche Belgierin zählt am Steuer eines Autos zu den Großen. Das Talent dafür hat die Rennfahrerin von Opa Jacques und ihrem Vater geerbt. Jacky Ickx gewann in seiner Formel-1-Karriere acht Grands Prix. Noch mehr hallt sein Name nach, wenn das Stichwort bei Le Mans fällt: Das 24-Stunden-Rennen entschied er sechs Mal für sich, vier dieser Gesamtsiege fuhr er auf einem Porsche heraus. Tochter Vanina kann sieben Le-Mans-Starts vorweisen, etwa mit einem 911 GT3 RS, aber auch am Steuer reinrassiger Prototypen. Außerdem war sie zwei Jahre lang als Werksfahrerin in der Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) aktiv.

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Manöver mit Leichtigkeit: Vanina Ickx am Steuer des 911 Turbo S mit PSM-Sport-Modus.

Vanina zeigt ihr bezauberndstes Lächeln, als sie den Porsche langsam ausrollen lässt. Es ist kalt an diesem Frühjahrstag auf dem Fahrsicherheitszentrum inmitten des Grand-Prix-Kurses von Hockenheim und der Gedanke lockt, sich an den wohltemperierten Reifen die Hände aufzuwärmen. Auch Ickx scheint Betriebstemperatur erreicht zu haben: einen 911 Turbo S am Limit zu bewegen gehört selbst für eine Rennfahrerin zu den besonderen Momenten. „Es ist niemals einfach, das volle Potenzial eines so kraftvollen Sportwagens auszuschöpfen“, erläutert sie und ihre Augen strahlen dabei. „Der neue PSM-Sport-Modus bietet auch Nichtprofis die Chance, dieses beeindruckende Erlebnis zu genießen – in einem sicheren Rahmen.“ Auch das freut Philipp Peglau.

Zusammen mit seinen Kollegen hat Peglau den PSM-Sport-Modus entwickelt. Zweieinhalb Jahre lang haben sie daran getüftelt, ungezählte Kilometer auf trockener und nasser Fahrbahn, Schnee und Eis abgespult – auf unterschiedlichsten Rennstrecken und auch am Polarkreis –, bis alle Parameter und Kennfelder so feingeschliffen waren, dass das Ergebnis sowohl den umfassenden Fahrmanöverkatalog von Porsche als auch die hohen Funktionsansprüche erfüllt. Seit der Einführung des Macan GTS, der jüngsten 911-Generation sowie des Porsche 718 Boxster und 718 Cayman steht PSM Sport den Kunden als Bestandteil des Sport Chrono Pakets zur Verfügung.

„PSM Sport ist kein Drift-Modus“, stellt Philipp Peglau (42) klar. Die Elektronik sorgt nicht durch künstliche Eingriffe dafür, dass ein bestimmter Schwimmwinkel erreicht und gehalten wird. „Dies würde dem Fahrer das Gefühl für das Auto rauben und ihm eine falsche Gewissheit über sein eigenes Können vorspiegeln“, so der Ingenieur. „PSM Sport nimmt dem ambitionierten Fahrer keinesfalls die Kontrolle über den Wagen aus der Hand.“

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PSM Sport lässt dem Fahrer im Grenzbereich mehr Freiheit.

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Hinreißend schnell: Rennfahrerin Vanina Ickx.

Zu den größten Herausforderungen im Grenzbereich, so Peglau, gehört der Wechsel von stabiler zu instabiler Straßenlage. Die Entwickler sprechen an dieser Stelle von „Gierbeschleunigung“ und meinen damit die Stärke des Impulses, mit dem ein Übersteuern einsetzt – fällt er zu heftig aus, lässt sich das Fahrzeug kaum wieder abfangen. Genau an dieser Stelle greift der Sport-Modus des Porsche Stability Management ein, der ohne zusätzliche Sensorik auskommt. „Wir haben nicht einfach die Anregelschwellen erhöht, sondern dämpfen die initiale Gierbeschleunigung“, erläutert Peglau. „Auf diese Weise können wir den Übergang sanfter gestalten. Sobald das System erkennt, dass der Fahrer die Sache im Griff hat, gesteht es ihm größere Freiheiten zu – die Schwellenwerte der Traktionskontrolle werden aufgeweitet und die Bremseingriffe des PSM zur Stabilisierung abgeschwächt. So wird die Stabilitäts- zu einer Instabilitätskontrolle, ohne den Grundcharakter des Autos zu verfälschen.“

Schon zuvor hatte Porsche in Verbindung mit dem Sport Chrono Paket eine Zwischenstufe zwischen aktiviertem und deaktiviertem PSM im Programm. Dieser Modus war Bestandteil des Sport-Plus-Modus. „Mit dem alten PSM-Sport-Modus wollten wir dem Kunden mehr Freiheit für das performanceorientierte Fahren geben. Dabei blieb die volle PSM-Sicherheitsunterstützung erhalten, da die PSM-Lampe nicht angeschaltet wurde. Uns schwebte aber eine differenziertere Lösung vor. Wir möchten dem Fahrer auf allen Untergründen – also auch auf regennasser oder schneebedeckter Straße – einen höheren Freiheitsgrad und größere Schwimmwinkel erlauben“, erklärt Philipp Peglau.

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Nachgezählt: Schon ein kurzer Tastendruck (0,3 Sekunden) aktiviert die Funktion PSM Sport. Wer die Taste länger (1,7 Sekunden) gedrückt hält, schaltet PSM aus.

Das Ziel: die außergewöhnliche Fahrdynamik eines Porsche auf sicherere Weise erlebbar zu machen. Und zwar dort, wo dies möglich ist: auf abgesperrten Rennstrecken oder Fahrtrainingsgeländen. „Schon im PSM-on-Modus greift das Regelsystem im Normalfall erst dann ein, wenn die Stabilitätsgrenze erreicht ist“, betont der Fahrwerksingenieur. „Aber auf welligen Strecken oder verschränkten Kurven, wie beispielsweise der Nordschleife des Nürburgrings, kann der PSM-on-Modus die mögliche Fahrzeugperformance noch etwas einschränken. PSM Sport dagegen erlaubt sogar die schnellste Runde wie in PSM off. Zugleich bietet seine Regelstrategie dem Sportfahrer eine Restunterstützung, sollte er bei der Zeitenjagd doch mal ungewollt die Grenzen der Physik überschreiten – etwa indem es die notwendige Lenkdynamik durch sanfte Bremseingriffe des Fahrzeugreglers reduziert.“

Dabei ist das Sicherheitsnetz im Hintergrund deutlich weiter gespannt. Kommt der Fahrer in Bedrängnis und übersteigt der Bremspedaldruck die Aktivierungsschwelle des Antiblockiersystems, wechselt das System wieder in den PSM-on-Modus – je nach Vordruck mehr oder weniger schnell. Diese Notanker genannte Funktion ist schon aus dem PSM-off-Modus bekannt. Zwischen 100 und 150 km/h gleicht sich das PSM Sport stufenlos dem aktivierten PSM an. Nur das Eingreifen der Antischlupfregelung ASR kann selbst bei Geschwindigkeiten über 150 km/h aufgeweitet werden, dies allerdings in Abhängigkeit zum Grip-Niveau der Fahrbahn.

„Wir könnten auch sagen: PSM Sport nimmt den Fahrer an die Hand und führt ihn vorsichtig an die PSM-off-Einstellung heran, denn sie steht natürlich auch weiterhin zur Wahl“, so Peglau. Die soll aber bleiben, was sie insbesondere am Fallbeispiel des 911 Turbo S immer schon war: eine Art Ultima Ratio für echte Könner. Echte Könner wie Vanina Ickx. Ob sie sich PSM Sport in einem Rennwagen vorstellen kann? „Warum nicht?“, antwortet die Belgierin. „Schon die Traktionskontrolle in unseren Le-Mans-Prototypen war in bestimmten Situationen eine großartige Hilfe.“

Text Klaus-Achim Peitzmeier
Fotos Heiko Simayer