Fahrlehrer
Die neue
Präzision als Lernziel: Dank der fortschreitenden Digitalisierung lässt sich das nun auch via Smartphone erreichen. Ein Selbstversuch.
Es gibt immer wieder Entscheidungen, die aus dem Bauch heraus getroffen werden. Wissenschaftlich betrachtet könnte man manche als gefährliche Ausprägung von Blauäugigkeit bezeichnen. Zum Beispiel dann, wenn es bei Fahrten auf einer Rennstrecke um die optimalen Brems- und Einlenkpunkte geht. Um den Moment, in dem man beschleunigen sollte. Oder um die Fragen, wann und warum welche Ideallinie die schnellere ist. Die Stoppuhr als bislang einzige Vertraute, die mit ihrer unbestechlichen Anzeige lobt oder straft, auch sie ist nicht immer ehrlich zu dir. Fühlst du dich schnell, behauptet sie, dass du zu langsam warst. Bist du der Meinung, die Runde sei schlecht gewesen, weist sie plötzlich eine persönliche Bestzeit aus. Die Quittung darüber, was falsch und was richtig ist, immer erst dann zu erhalten, wenn es zu spät ist, nämlich nach Überqueren der Zielgeraden – das ist messtechnisch wenig analytisch und bringt den Fahrer in der Folge nicht weiter.
Wir sind am Bilster Berg, einer Test- und Eventstrecke in der geografischen Mitte Deutschlands. Malerisch eingebettet in die waldreiche und pittoreske Landschaft zwischen Hannover und Kassel. Schönste ostwestfälische Provinz. Die 4,2 Kilometer lange Berg- und Talbahn, viele nennen sie eine kurze Variante der Nordschleife, liegt uns zu Füßen.
Das Auto: der neue
Der Coach: Eduard Schulz ist der Entwickler der neuen
Der Schüler: meine Wenigkeit. Mit der Strecke sehr vertraut, aber diese hochkarätige Kombination aus Auto, Semi-Slick-Bereifung (Michelin Pilot Sport Cup 2 N2) und freier, sonnenbeschienener Rundstrecke ist auch für mich Terra incognita.
Und dann ist da noch die Track Precision App, um die sich heute alles dreht. Mit ihr haben die Entwickler von
Die Hardware in Form des iPhone 6 ist unterhalb des Innenspiegels in einer stabilen Halterung fixiert. Aus den 130 in der App hinterlegten Streckenverläufen von rund 60 nationalen und internationalen Rennstrecken muss nur die aktuell geforderte, in diesem Fall der Bilster Berg, ausgewählt und das System gestartet werden. „Die besten Resultate lassen sich bei Strecken erfahren, die viele Variationen der Ideallinie haben und somit auch verschiedene Bremspunkte. Das ermöglicht dem Fahrer unterschiedliche Fahrstile“, sagt Schulz, was mich wiederum in der Entscheidung für genau diese Strecke bestätigt.
Laptimer-Funktion
Während ich die ersten Runden drehe, greift das System auf alle Daten zurück, die von den bordeigenen Sensoren des 911 GT3 erfasst werden: Lenkwinkel, Bremsdruck, Gaspedalstellung, Quer- und Längskräfte inklusive aller GPS-Daten. Start- und Ziellinie werden automatisch erkannt. Dazwischen wird alles registriert und aufgezeichnet. Nach Verlassen der Strecke lässt sich das erzielte Ergebnis via Fingertipp speichern – und sei es nur, um eine gefahrene Runde inklusive aller relevanten Daten mit Freunden zu teilen.
Bereits nach dem ersten Anlauf erlauben die im Smartphone gesammelten Daten erste Analysen. Die Videoaufzeichnungen helfen dabei. Synchron zum Videofilm bewegt sich in einem animierten GT3-Cockpit das Lenkrad entsprechend der zuvor in der Realität gewählten Lenkwinkel. Simulierte Pedale zeigen analog zum Streckenverlauf sowohl Bremsdruck als auch Gaspedalstellung. Die Laptimer-Funktion zeigt die Runden- und Sektorenzeit und stellt gleichzeitig die Abweichungen zu einer definierten Referenzrunde dar. Somit kann man unter anderem mit der eigenen, zuvor gefahrenen Runde in Echtzeit konkurrieren.
GPS-Track-Funktion
Geschwindigkeit, Drehzahl, Gang, Quer- und Längsbeschleunigung sowie, hier habe ich richtig gestaunt, die Über- oder Untersteuertendenz werden registriert. Basierend auf den ermittelten GPS-Daten lässt sich der Streckenverlauf erstellen, um chronometrische Auswertungen vorzunehmen. Sich die eigene Linie anschließend vorführen zu lassen und zu jedem beliebigen Streckenstück die Details anzeigen oder ins entsprechende Videobild wechseln zu können, erleichtert die Selbstanalyse.
Ghostcar-Funktion
Dank der Animation ist es möglich, einem imaginären Fahrzeug auf der Ideallinie zu folgen. Somit werden die eigenen Weg- und Zeitabweichungen visualisiert. Man kann sich von dem Ghostcar quasi ziehen lassen. Alternativ ist es möglich, sich von einem Balkendiagramm in Echtzeit anzeigen zu lassen, um wie viel langsamer (rot) oder schneller (grün) man im Vergleich zur Referenzrunde unterwegs ist. Ist der rote Balken zu hoch, kann man die Runde mit Rücksicht auf die Reifen gleich abbrechen. Wechselt er, wie bei mir am Ende der Zeitenjagd ab der zweiten Sektion, von Rot auf Grün, zeigt also an, dass ich mich im Vergleich zur schnellsten Runde des vorherigen Stints auf Bestzeitkurs befinde, geht nicht nur mir das Herz auf. App-Entwickler Schulz freut sich nach der Zieldurchfahrt: „Unsere Analyse hat gewirkt – eine Sekunde schneller als im ersten Durchgang.“ Früher hätte ich nur mutmaßen können, warum ich am Ende schneller war. Jetzt weiß ich es.
Text Horst Von Saurma
Fotos Andreas Lindlahr
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