Porsche - Guter Typ

Guter Typ

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Entwicklungsziel Begeisterung:
Jedes Porsche-Modell – zum Beispiel der Macan – stellt Designer und Ingenieure vor neue Herausforderungen. Ihr Ansporn aber ist seit 70 Jahren unverändert: ein faszinierendes Auto zu bauen.

Ein Porsche erntet überall auf der Welt anerkennende Blicke. Nur wenige Marken haben ein so positives Image. Schon im legendären Porsche 356 „Nr. 1“ Roadster von 1948 verbaute Porsche diesen Sympathiebonus. Und danach in jedem Modell.

Es ging nicht um Ruhm. Und schon gar nicht darum, die Welt zu verbessern. Ferdinand „Ferry“ Porsche wollte sich einfach nur selbst einen Gefallen tun. Oft haben ihn Journalisten, Freunde und Weggefährten gefragt, wie er so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Idee kam, einen Sportwagen zu bauen. Und Ferry Porsche antwortete: „Es war eigentlich ein Hobby von mir, für mich einen schnellen Reisewagen zu machen.“ Im Sommer 1948 war der Mittelmotorsportwagen mit der Fahrgestellnummer 356-001 fertig: Das erste Fahrzeug, das den Namen Porsche trug.

Porsche stand schon immer für einen Traum. Und natürlich hat nicht nur Ferry Porsche diesen Traum geträumt. Viele Menschen träumen ihn. Deshalb fahren sie Porsche. Oder möchten gerne einen Porsche fahren: Die Passanten, die einem vorüberfahrenden Porsche 911 hinterherschauen. Das Kind, das beim Autoquartett immer nur diese eine Karte will – mit der Gewissheit, damit einen Stich zu landen. In den vergangenen sieben Jahrzehnten hat Porsche Millionen Menschen begeistert. Kaum eine andere Marke hat ein derart positives Image. Das Unternehmen selbst bezeichnet es als soziale Akzeptanz. Doch wie hat Porsche diese Akzeptanz erlangt? Und kann sie in Zukunft bewahrt werden? Gehört es nicht zum Wesen eines Traums, dass irgendwann der Wecker klingelt?

Wie entsteht soziale Akzeptanz?

Wer sozial akzeptiert wird, erfährt von den Menschen um sich herum dauerhafte positive Unterstützung. Das Bedürfnis danach beeinflusst viele große Entscheidungen unseres Lebens: Wen wir heiraten. Welchen Beruf wir wählen. Oder ob wir uns einen Porsche 911 Turbo S kaufen. Niemals hatten wir mehr Möglichkeiten, sozial akzeptiert zu werden. Früher entwickelten sich die Menschen in kleinen Gruppen und trafen im Laufe ihres Lebens vielleicht auf maximal 150 Personen. Heute kann es sein, dass wir so vielen Menschen in einer einzigen Woche begegnen. Unabhängig davon, ob sie uns fremd sind oder zum engeren Familienkreis gehören – sie vermitteln uns das Gefühl von sozialer Akzeptanz. Familienmitglieder und enge Freunde umarmen uns, Kollegen laden uns zum Mittagessen ein. Wir schließen uns religiösen Gruppen an, politischen Parteien, wir begeistern uns für Fußballvereine oder treiben gemeinsam mit anderen Sport. Die Grundlage für all diese Aktivitäten ist die Suche nach sozialer Akzeptanz.

Darin liegt auch die Macht der sozialen Medien. Mark Zuckerberg zum Beispiel nutzt sie: Er sagt, er habe Facebook gegründet, „um eine soziale Mission zu erfüllen, um die Welt offener zu machen und besser zu vernetzen“. Wenn Menschen online Informationen teilen, erleben sie einen ähnlichen Dopaminschub wie beim Schokoladeessen. Das Gleiche empfinden wir, wenn andere unsere Internetposts gut finden, denn soziale Akzeptanz ist uns wichtig.

Vertrauen in die Marke

Was bedeutet all das für Porsche? Der Politologe Weert Canzler, Leiter der Projektgruppe Mobilität des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, erklärt: „Der Stellenwert des Autos in der Gesellschaft verändert sich. Die Digitalisierung wird die gesamte Branche revolutionieren. Ökologische Themen gewinnen an Bedeutung. Das alles verändert natürlich auch die Art und Weise, wie eine Marke wie Porsche wahrgenommen wird. Das ist eine große Herausforderung.“

Ferry Porsche starb im Jahr 1998. „Die Entwicklung des Automobils hat zu keiner Zeit einen Ruhepunkt gefunden“, sagte er schon 1966 in einem Interview. „Viele Probleme stehen heute vor uns, und ebenso viele neue werden auf uns zukommen, wenn die heutigen gelöst sind. (...) Zur Lösung all dieser Fragen hat stets der Sport einen wichtigen Beitrag leisten können, und er wird es auch in Zukunft tun.“ Nüchterner Ingenieursgeist spricht aus diesen Worten. Und sicher hat auch diese Nüchternheit, dieses Understatement dazu beigetragen, dass Porsche zu einer so beliebten Marke wurde. Wer um jeden Preis auffallen will, kauft sich andere Sportwagen. Ein Porsche ist zurückhaltender – und löst schon deswegen keine negativen oder aggressiven Gefühle bei Betrachtern und Nicht-Porsche-Fahrern aus.

Der US-amerikanische Journalist Randy Leffingwell hat in seinen zahlreichen Büchern, etwa Porsche 911: Perfection by Design, beschrieben, welch große Bedeutung die Formensprache für den Erfolg von Porsche spielt. Als Ferrys Sohn Ferdinand Alexander Porsche den 911 entwarf, ging es ihm um eine klare, elegante, reduzierte Formensprache. Genau deswegen passt der 911 so gut in die Zeit, damals wie heute. Genau deswegen zeichnet fast jedes Kind einen Sportwagen mit runden Scheinwerfern, erhöhten Kotflügeln und der sanften Dachlinie eines 911.

Schon 1952 gründete sich in Dortmund der erste Porsche-Club. Mittlerweile existieren rund 700 offizielle Clubs weltweit. Mehr als 200.000 Mitglieder besuchen Treffen, veranstalten Clubabende, organisieren Ausfahrten und Rennen. Die Begeisterung der Porsche-Fahrer erhöht wiederum die soziale Akzeptanz ihrer Sportwagen. Ein Porsche, das versteht jeder, ist ein Objekt der Sehnsucht. Ein Porsche ist, bei aller Schönheit, aber auch ein Gebrauchsgegenstand. Er ist ein Fluchtfahrzeug, in dem man dem Alltag mit all seinen Routinen und starren Strukturen entkommen kann. Eine kurze Berührung des Gaspedals, und das Abenteuer beginnt.

Der Stellenwert des Autos

Das Auto hat den Menschen befreit. Er kann einfach aufbrechen, losfahren, wann und wohin er will. Aber träumen die Menschen überhaupt noch von dieser Art Mobilität?

„Das Auto stand lange Zeit für den sozialen Aufstieg, die Idee des guten Lebens. Es war ein zentrales Statussymbol, ein Objekt der Sehnsucht“, sagt Mark Morrison vom Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main. „Diese überragende Stellung hat es verloren. Aber das bedeutet natürlich nicht das Ende einer ganzen Branche. Wenn sich die Marken an die geänderten Bedürfnisse anpassen, werden sie auch in Zukunft Begehrlichkeiten wecken.“

Einige Umfragen, Statistiken und Studien weisen darauf hin, dass vor allem junge Menschen weniger Wert darauf legen, ein Auto zu besitzen. „Darin liegt für Porsche aber auch eine Chance“, ist Canzler überzeugt. „Man mietet sich dann ab und zu einen Porsche. Vielleicht ist ein Abo-Modell denkbar, vielleicht kauft man sich eine bestimmte Anzahl von Kilometern. Womöglich kann man so ganz neue Konsumentenmilieus erobern.“

Noch wichtiger sei es aber, so Canzler, beim Thema Elektromobilität mitzuhalten. Porsche hat mit einem Plug-in-Hybrid-Rennwagen jüngst drei Mal in Folge das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewonnen. Ende des Jahrzehnts soll der erste vollelektrisch angetriebene Porsche in Serie gehen. Wieso sollte dieser Porsche die Käufer nicht so begeistern wie zuvor der 356, der 911 oder der Cayenne? Der Elektromotor ist wieder einmal eine Gelegenheit, aller Welt zu demonstrieren, wie innovativ die Marke Porsche ist.

Innovation und Strahlkraft

Die Psychologin Jennifer Aaker von der Stanford University glaubt, dass jede erfolgreiche Marke eine gute und kohärente Geschichte von sich selbst erzählen muss. Solche Geschichten können verständlich machen, so Aaker, „wofür eine Marke in ihrem Inneren steht“. Ein Hersteller mit einer so langen Tradition wie Porsche hat hier einen Vorteil: Die Marke verdankt ihre Strahlkraft nicht nur dem eleganten Design ihrer Autos, der Performance ihrer Modelle und der Begeisterungskraft ihrer Anhänger, sondern auch einer technischen Meisterschaft, die das Unternehmen über mehrere Generationen immer wieder aufs Neue bewiesen hat. Und auch in Zukunft beweisen wird. Porsche hat eine Geschichte und kann Geschichten erzählen. Angefangen natürlich mit Ferdinand Porsche, dem Vater von Ferry. Er konstruierte bereits 1900, lange vor Gründung der eigenen Firma, ein Hybridfahrzeug. Der Name des Wagens: „Semper Vivus“, zu Deutsch „immer lebendig“.

Und auch die Menschen werden die Suche nach der sozialen Akzeptanz niemals aufgeben. Dafür ist sie zu stark in unserem Gehirn verankert.

Text Nathan DeWall, Jakob Schrenk
Fotos Marc Trautmann, Martin Seraphin