Nervenpixel
Autorennen werden auf der Strecke entschieden. Das wird auch in Zukunft so sein. Doch sind diese zunehmend virtuell. Willkommen in der Welt des eSports!
Feierabend!“, ruft Lars Kern, als sein
Kern ist Test- und Entwicklungsfahrer bei
In der Welt des eSports sind auch die Gegner andere. Zum Beispiel „aTTaX Johnson“ alias Niklas Krellenberg. Auf dem Bildschirm lenkt er den
Krellenberg ist ein neuer Typ Sportler. Er stemmt weder Gewichte, noch händelt er irgendwelche Bälle auf dem Platz. Ein Fußballer hat es im Bein, der Rennfahrer angeblich im Hintern. Bei eSportlern wie Krellenberg sind es die Augen und Hände: Seine Finger vollführen bis zu 500 Aktionen in der Minute.
Olympia als Etappenziel
Mittlerweile füllen eSport-Turniere Hallen – aber ist das wirklich Sport? „Natürlich“, sagt Krellenberg, „ich habe ja mehr zu tun als zum Beispiel ein Sportschütze.“ Dieser Meinung sind inzwischen auch die ersten Sportverbände. 2022 wird eSport Teil der Asienspiele sein, und das Internationale Olympische Komitee erwägt, die Disziplin ins Programm der Olympischen Spiele 2024 in Paris aufzunehmen. Das ist wenig überraschend. 2016 wurden weltweit mehr als 100 Milliarden Dollar mit Computerspielen umgesetzt – mehr als in der Film- und der Musikindustrie zusammen. 2,2 Milliarden Menschen treten regelmäßig in virtuellen Spielen gegeneinander an. Die Besten können davon leben, sehr gut sogar. Sie sind in Profiteams organisiert, beziehen feste Gehälter, erhalten hohe Preisgelder. Bei den Turnieren von League of Legends, einem Rollenspiel im Teamformat, schießen die Summen sogar schon in die Millionen.
Controllerkünstler
Fußballvereine wie der deutsche Bundesligist VfL Wolfsburg haben begonnen, eSport-Teams in ihre Strukturen einzubinden. „Wir wollen mit unserem Engagement junge Menschen erreichen“, erklärt Geschäftsführer Tim Schumacher. Und natürlich gehe es auch darum, „neue Vermarktungsfelder zu erschließen“. Als weltweit erster Fußballklub hat der VfL deshalb eSportler unter Vertrag genommen.
Benedikt Saltzer, 25, und Timo Siep, 20, beide mehrfache Deutsche Meister, sind Teil des Wolfsburger Teams und mit Einjahresverträgen ausgestattet. „Alles entwickelt sich sehr schnell“, sagt Saltzer, der wie Siep von seiner Controllerkunst lebt. Eine Erfolgswelle hat die Branche erfasst. Weitere Profiklubs ziehen nach, eine virtuelle Fußballbundesliga scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein – „cool wäre das“, hofft Siep.
So weit ist die eRacing-Szene noch nicht. „Mein Studium kann ich aber gut damit finanzieren“, zeigt sich Krellenberg zufrieden. Er trainiert in Hochphasen bis zu acht Stunden am Tag und ist überzeugt, dass sich sein Fleiß irgendwann auszahlt. „Das Ganze kommt jetzt erst richtig ins Rollen, und dieser Prozess ist nicht aufzuhalten.“
Modellpräsentation auf Gaming-Messe
Auch im Motorsport entstehen professionelle Strukturen.
„Der Spielebereich ist wichtig für uns, weil wir einer breiten und jungen Zielgruppe ein emotionales und interaktives Markenerlebnis ermöglichen können“, erklärt Sebastian Hornung, Leiter Branded Entertainment bei
eSport wird immer relevanter
Die digitale Entwicklung mit den rasant steigenden Prozessorgeschwindigkeiten rückt den virtuellen Motorsport in das Blickfeld der traditionellen Motorsportszene. „Beide Gebiete gehen allmählich fließend ineinander über“, sagt
Noch neu ist dagegen die Fahrerqualifizierung. Wie lassen sich Talente fördern? Auf diese Frage kann der Konsolensport eine Antwort geben, so Walliser, denn „viele eSportler bringen sehr gute Anlagen mit“. Auch ein virtueller
Trotz großer Fortschritte im virtuellen Rennsport sehen alle Beteiligten auch die Unterschiede zum physischen Fahren. „Das Geschwindigkeitsgefühl ist nicht dasselbe, nicht zu vergleichen mit dem Beschleunigen in einem realen Sportwagen“, betont Kern. Es sei eben schwierig, solche Dinge virtuell zu realisieren. Und dann spielen natürlich auch Haptik, Raumgefühl und Geruch eines Rennwagens eine entscheidende Rolle. „Deshalb wird es klassischen Motorsport weiterhin geben“, prophezeit der Rennfahrer. „In Zukunft eben Seite an Seite mit virtuellem Motorsport.“
eSport in Zahlen
25
Millionen US-Dollar betrug das Preisgeld bei dem Turnier „The International 2017“.
3,5
Millionen US-Dollar dürfte das bisherige Karrierepreisgeld von Kuro „KuroKy“ Salehi Takhasomi zählen. Der iranischstämmige Deutsche gilt als der bislang erfolgreichste eSportler. Mit seinem Team Liquid 2017 gewann der 25-Jährige das Dota-2-Turnier „The International“.
700
Millionen US-Dollar betrug im Jahr 2017 der ungefähre Umsatz der eSport-Branche – Medienrechte, Werbung, Sponsoren, Tickets, Merchandising, Lizenzbeträge. Das sind gut 40 Prozent mehr als 2016. Etwa die Hälfte davon wird in China und Nordamerika umgesetzt, auch wenn Südkorea als Wiege des eSports gilt. Die globale Zuschauerzahl wurde 2017 auf 385 Millionen beziffert.
130
Millionen US-Dollar wurden auf Turnieren des Computerspiels Dota 2 seit der Einführung 2013 an Preisgeld ausgeschüttet. Damit ist die sogenannte Multiplayer Online Battle Arena (MOBA) das lukrativste Game-Genre der noch jungen eSport-Geschichte.
33
Millionen Rechner verfolgten durchschnittlich die World Championship im September 2017 im Internet. Den mit Abstand größten Anteil machten chinesische Fans mit mehr als 32 Millionen Views aus.
100
Millionen Menschen weltweit spielen das Game League of Legends mindestens ein Mal im Monat. „LoL“, so die Kurzform, ist ein Kampfspiel im Teamformat.
Text Frieder Pfeiffer
Fotos Sven Cichowicz