Die Vielseitige
Mallorca. Zufluchtsort, Freizeitparadies oder Ladestation für die Seele – Mallorca ist für viele Deutsche längst zur zweiten Heimat geworden. Mit einem
Strandleben und bierseliger Massentourismus – dieses Klischee verbinden viele mit Mallorca. Eine ganz andere Seite der Insel zeigt uns Galerist Gerhardt Braun. Er hat in der mallorquinischen Hauptstadt einen neuen Lebensmittelpunkt gefunden. Braun, gebürtig aus Bietigheim, dem Sitz von
Brauns Klientel kommt aus Berlin, München und Stuttgart, aber genauso auch aus Los Angeles, Dallas und Dubai. In der Nachbarschaft seiner Galerie haben sich nach und nach teure Boutique-Hotels und Nobel-Modelabels angesiedelt. Bei der bisher größten Einzelausstellung des jungen Kaiserslauterner Künstlers Leon Löwentraut im vergangenen Jahr gab es rund um die Galerie einen Menschenauflauf, rund 70 Fans des Shootingstars flogen extra aus Deutschland ein. Löwentraut, der sich gerne als bunter Paradiesvogel inszeniert, fuhr in einer Pferdekutsche vor – ein medienwirksames Spektakel. Und typisch Palma.
„Auf Mallorca ist alles easier“, sagt Braun auf die Frage nach den Vorzügen seiner Wahlheimat. „Ich genieße das kosmopolitische Flair und das tolle Wetter. Sie können bis in den Oktober hinein kurze Hosen tragen.“ Für den Kunstvermittler steht fest: „Palma entwickelt sich zum Miami Europas.“ Dennoch spüre man immer noch, dass Mallorca einst eine Schatzsucher- und Seefahrerinsel war. „Das liegt in den Genen der Menschen hier“, sagt Braun.
Diese Worte klingen noch nach, als wir zu unserem Überland-Roadtrip entlang der Westküste aufbrechen. Auch wir sind eine Art Schatzsucher, abenteuerlustig und begierig auf die schroffe Küsten- und Gebirgslandschaft, auf serpentinenreiche Sträßchen, von denen aus man in der Ferne das Mittelmeer schimmern sieht. Vor dieser Kulisse sammeln wir Eindrücke und Ausblicke von Palma bis Pollença, einem Städtchen im Norden der Insel. Der 718
Diese Wendigkeit ist hilfreich angesichts Hunderter oder gar Tausender von Rennradfahrern jeden Alters, die im Frühjahr in Pulks die teils steilen Panoramastraßen als Trainingsgelände nutzen. Hier ist vorausschauendes Fahren wichtig, denn die Asphaltbänder sind meist schmal, die Kurven eng, und es kann sogar vorkommen, dass man als Autofahrer bergab von besonders ambitionierten Radlern mit Tempo 70 oder 80 überholt wird.
Mit gegenseitiger Rücksichtnahme können alle diese mediterrane Landschaft genießen, die Licht- und Schattenspiele beim Vorbeiziehen an den mallorquinischen Kiefern am Straßenrand, die gleißenden Sonnenuntergänge, zu denen sich Zwei- wie Vierradfahrer zu Fotostopps an den „Mirador“ genannten Aussichtspunkten versammeln. Natürlich fahren wir offen, um die Natur mit allen Sinnen zu spüren, den Duft der Bäume und des fernen Meers in der Nase. Auch da ist der
„Mallorca hat einen ganz eigenen Geruch“, sagt Britta Ploenzke, „die Luft ist würzig und mild, dazu kommt die frische Meeresbrise.“ Ihre Familie, gebürtig aus Wiesbaden, betreibt auf einer Anhöhe bei Sóller das Boutique-Hotel „Ca's Xorc“. Hier, in dem ehemaligen Landgut mit Ölmühle im Herzen des Tramuntana-Gebirges, verbringen wir inmitten von Oliven- und Zitronenbäumen die erste Nacht. Von der Terrasse aus sieht man bis zum Hafenstädtchen Port de Sóller.
Die Ploenzkes haben aus der mehr als 200 Jahre alten Finca ein Hideaway mit maurischem Charakter gemacht. Im Restaurant wird internationale Küche serviert, im Garten steht ein marokkanisches Luxus-Berberzelt, in dem Hochzeiten und andere Events stattfinden. Stammgäste, auch VIPs, schätzen die Abgeschiedenheit dieses Ortes – im „Ca's Xorc“ hatte Claudia Schiffer ihren 30. Geburtstag gefeiert, mit Gästen wie Mick Jagger und Bono. „Ich könnte nicht mehr ohne das Meer leben“, sagt Britta Ploenzke. Dennoch verbringt sie den größten Teil des Jahres in Deutschland: „Die gute Erreichbarkeit der Insel und das mediterrane Klima sind ein unschlagbarer Vorteil.“
Das war auch einer der Gründe für die Besitzer des Weinguts Bodegas Can Vidalet, sich auf Mallorca zu engagieren. Ein Hamburger Geschäftsmann und seine Frau haben Mitte der Neunzigerjahre in der Nähe von Pollença, unserer nächsten Station auf der Route ganz in den Norden, ein 15 Hektar großes Anwesen erworben. Auf den zehn Hektar umfassenden Weinbergen wachsen Trauben wie Sauvignon Blanc, Chardonnay, Merlot oder Syrah. Die meist deutschen oder britischen Gäste erfahren bei den angebotenen Weinverkostungen Details zur Historie des Weinguts. Etwa dass hier schon die Römer Landwirtschaft betrieben haben – auf dem Gelände gibt es sogar ein altes römisches Wasserrad mit Aquadukt, das für die Bewässerung eines Gemüsegartens wieder in Gang gesetzt werden soll.
Die Tropfen reifen in einem Steinkeller unter der Erde, Kellermeisterin Elisabet Fuentes Fernández kümmert sich darüber hinaus um den Sekt, der in Handarbeit per Flaschengärung produziert wird. Beliebt bei den Kunden ist auch der Gin „Onze“, übersetzt „Elf“ – die Spirituose enthält eben diese Anzahl an verschiedenen Kräutern.
Nach diesem Abstecher aufs Land zieht es uns wieder ans Wasser, in die Bucht von Pollença. Die konstante Thermik und der Sandboden der Bucht machen diesen Ort ideal für Wassersportler. Hier haben Mike Weber und sein Geschäftspartner Pedro Álvarez innerhalb von sechs Jahren bereits den zweiten Standort ihrer Wind- und Kitesurfschule „Mallorca Kiteboarding & SUP“ eröffnet. Mittlerweile beschäftigen sie acht Mitarbeiter, die Nachfrage ist groß, vor allem nach Unterweisungen in der neuen Trenddisziplin Foil-Windsurfen. Das Hydrofoil, eine lange Spezialfinne, kann man sich unter das Board schrauben, sie hebt Surfbretter ab einer gewissen Geschwindigkeit aus dem Wasser. Kitesurflehrer Mike, in Bonn geboren und auf Mallorca aufgewachsen, ist in seinem Element: „Kiten ist kein Kraftsport wie Windsurfen, sondern hat viel mit Technik zu tun. Man kann mit zehn, elf Jahren beginnen – und unser ältester Schüler war 76 Jahre alt.“
Die Sonne steht schon tief, als wir das Cap de Formentor ansteuern, den nordöstlichsten Punkt Mallorcas. „Treffpunkt der Winde“ nennen die Mallorquiner diese Landzunge mit ihren bizarr geformten Felsen. Die 13,5 Kilometer lange gewundene Straße, die von Port de Pollença ausgehend etliche Aussichtspunkte entlang der Steilküste aufweist, ist eine der beliebtesten auf der ganzen Insel – und entsprechend stark befahren. Im Sommer werden deshalb tagsüber Shuttlebusse eingesetzt. Die blaue Stunde ist jedoch ohnehin die beste Zeit, um von der Aussichtsplattform des schneeweißen Leuchtturms Far de Formentor den wohl schönsten Sonnenuntergang der Insel zu beobachten. Wir kosten in unserem Roadster die letzten Sonnenstrahlen des Tages aus, der
Wir haben auf dieser Tour Kunst und Genuss, Meer und Sport, wilde Natur erlebt: Spätestens jetzt versteht man, weshalb so viele Menschen immer wiederkommen nach Mallorca. Oder bleiben, für immer.
Text Andrea Weller
Fotos Victor Jon Goico
LINKS UND TIPPS
Gerhardt Braun Gallery, Palma
Eine auf drei Gebäude verteilte Galerie mit internationaler Gegenwartskunst in der Altstadt der mallorquinischen Hauptstadt Palma – eines davon ist ein historischer Palazzo. 1.600 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Im „Art Lab“ genannten Bereich der Galerie stellt Gerhardt Braun Künstler/innen wie der spanischen Fashion-
http://gb-gallery.es
http://elafidalgo.com
Boutique-Hotel Ca’s Xorc, Sóller
Liebevoll im maurischen Stil eingerichtetes Boutique-Hotel (Adults only hotel) mit 15 Zimmern in den Räumlichkeiten einer historischen Finca. Unbeheizter Außenpool. Auf einer Anhöhe zwischen Bergen und Meer bei Sóller gelegen, Anfahrt über ein steiles und holperiges Sträßchen mit engen Kurven. Wunderbare Aussicht. Im Restaurant ambitionierte internationale Küche.
www.casxorc.com
Bodegas Can Vidalet, Pollença
Weingut mit Kellerei bei Pollença – in den zehn Hektar großen Weinbergen eines Hamburger Geschäftsmanns werden auf traditionelle Weise verschiedene Weine (rund 50.000 Flaschen pro Jahr), Sekt, Gin und Tresterbrände produziert. Auf der Terrasse vor dem kleinen Shop sind nach Teminabsprache Weinverkostungen möglich.
www.canvidalet.com/de
Mallorca Kiteboarding & SUP, Bucht von Pollença
Bei Mike Weber und Pedro Álvarez können Anfänger und Fortgeschrittene alle möglichen Arten des Wassersports lernen: klassisches Kite- und Windsurfen ebenso wie die Trenddisziplin Foil-Windsurfen. Die Schule arbeitet mit wichtigen Marken und Herstellern zusammen, deshalb gibt es bei den Ausrüstungen erstklassiges Material.
www.mallorcakiteboarding.com
Cap de Formentor, Nordostspitze Mallorcas
Das Cap de Formentor ist wegen des spektakulären Ausblicks eines der beliebtesten Ausflugsziele auf Mallorca. Von Port de Pollença führt ein gewundenes Sträßchen bis zum Leuchtturm Far de Formentor. Vom 15. Juni bis 15. September, jeweils 10 bis 19 Uhr, herrscht Fahrverbot für Pkw (ein Shuttlebusverkehr ist eingerichtet).
www.mallorca-experte.net/formentor-mallorca