Zukunft, die elektrisiert
Fliegen wir bald in Flugtaxis umher, wohnen in Würfeln und erinnern uns nur noch vage an den Charme eines Oldtimers? Roland Heiler, Chefdesigner bei
Roland Heiler: Ich bin neugierig, Herr Horx. Wie leben Sie im Jahr 2050?
Tristan Horx: Zunächst einmal: Ich freue mich auf die Zukunft. Ich lebe wahrscheinlich am Rande der Stadt – vielleicht in einem Einfamilienhaus. Denn ich glaube, jeder braucht seine eigene Höhle. In Sachen Ernährung lege ich Wert auf Bio-Lebensmittel, ich esse gerne auch mal ein Steak. Billiges Fleisch kommt wahrscheinlich gezüchtet aus der Petrischale. Das macht den Konsum umwelt- und tierfreundlicher. Und ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir nicht im Verzicht leben müssen, um das Klima zu schonen. Das ist auch der Trend, den ich sehe. Es gibt viele Möglichkeiten, zu genießen, Spaß zu haben und dabei verantwortungsvoll zu leben. Denn es geht darum, dass wir Lust auf die Zukunft haben.
Roland Heiler: Ich selbst bin im Jahr 2050 schon 92 Jahre alt und fahre wahrscheinlich morgens Mountainbike und am Nachmittag ein bisschen in meinem Oldtimer …
Tristan Horx: Vielleicht mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb? Beim Thema Mobilität wird es darum gehen, das richtige Transportmittel für den richtigen Weg zur richtigen Zeit zu verwenden. Es wird selbstfahrende Busse geben, die man buchen kann. Wir sind nicht mehr auf Fahrpläne angewiesen, wir greifen auf Mobilität zu, wann und wie sie nötig ist. Wer weiß, möglicherweise kann ich mir dann bereits ein Flugtaxi bestellen?
„Es gibt viele Möglichkeiten, zu genießen, Spaß zu haben und dabei verantwortungsvoll zu leben. Denn es geht darum, dass wir Lust auf die Zukunft haben.“
Roland Heiler:
Tristan Horx: Das ist wiederum die Herausforderung meines Berufs. Die Menschen erwarten von der Zukunft, dass alles ganz anders wird, als das, was sie bereits kennen. Die Zukunft entsteht aber aus der Kombination des Alten, das gut war, mit dem Neuen, das gut ist.
Roland Heiler: Unsere Muttergesellschaft
Tristan Horx: Ich bin auch schon immer mit Hybrid- oder Elektroantrieb unterwegs. Ich bin mal mit meinem Elektroauto sehr flott an jemandem vorbeigefahren. Der hat mich beleidigt, weil ich ausgerechnet mit einem Elektroauto schneller war als er. In diesem Moment wusste ich, dass das Rennen um die nächste Technologie längst gelaufen ist. Ich sehe das Thema Elektromobilität aber nicht einseitig. Am Ende haben wir alle Spaß an Geschwindigkeit und Beschleunigung. Das ist ein Teil der Fahr-Experience.
Roland Heiler: Ich finde, es kommt immer auf die Balance an. Meine Frau und ich haben zum Beispiel unseren Fleischkonsum reduziert. Das fällt uns gar nicht schwer, und wir tragen etwas Positives zum Klimawandel bei. Das betrifft auch das Thema Reisen: Neuerdings unterhält man sich in Business-Meetings über große Distanzen hinweg, ohne dafür ins Flugzeug zu steigen. Ich will aber weiterhin mit meinem Oldtimer fahren. Da ist die Dosis für mich vertretbar. Ich wäre traurig, wenn die historischen Fahrzeuge verschwinden. Sie sind für mich eine kulturelle Bereicherung.
„Unsere Uhren werden über Generationen vererbt. Als der Chronograph 1 im Jahr 1972 rauskam, habe ich als Schüler davon geträumt.“
Tristan Horx: Das Herausfordernde an der Zukunft ist ja, dass sie in diesen Widersprüchen entsteht. Zu jedem Trend entsteht ein Gegentrend. Die Kunst liegt darin, mit diesen Gegensätzen umzugehen.
Roland Heiler: Die Gegensätze sind ein großer Teil unserer Arbeit. Wir kommen mit vielen Kunden aus verschiedenen Kulturkreisen in Berührung. Uns beschäftigen zahlreiche Zukunftsthemen. In Sachen Nachhaltigkeit haben wir ein Stück weit Glück. Weil wir Produkte entwickeln, die man nicht wegwirft, sondern die Lebensbegleiter sind. Das war immer in unserer DNA verankert. Es ist toll zu sehen, dass zum Beispiel Wasserkocher, Toaster und Co. aus unserer Frühstücksserie für Siemens aus dem Jahr 1995 heute zum gleichen Preis gehandelt werden wie damals.
Tristan Horx: Witzig, ich hatte mit acht oder neun Jahren einen silbernen Aluminium- Schlitten von
Roland Heiler: Für unsere Produkte geben die Konsumenten mehr Geld aus, dafür bekommen sie etwas, das lange hält. Manche Dinge werden schöner mit der Zeit – etwa Leder, das eine Patina bekommt. Unsere Uhren werden über Generationen vererbt. Als der Chronograph 1 im Jahr 1972 rauskam, habe ich als Schüler davon geträumt. Seit 15 Jahren besitze ich nun einen. Der mattschwarze Look war damals komplett neu und wurde kritisch beäugt, denn vorher war Chrom angesagt. Die Uhr wurde von Tom Cruise im Film „Top Gun“ getragen oder von Formel-1-Pilot Clay Regazzoni.
Tristan Horx: Ach ja, „Top Gun“, ich erinnere mich …
Roland Heiler: Die Uhr entwickelte sich zur Ikone und ist ein gutes Beispiel für den Spagat zwischen Tradition und Innovation. Sie wurde inspiriert vom Dashboard eines Rennfahrzeugs, bei dem man versucht, die Reflexion so gering wie möglich zu halten, um die Ablesbarkeit der Instrumente zu garantieren. Für F. A.
Tristan Horx: Wenn ich an die Materialien der Zukunft denke, feiert für mich definitiv Holz wieder ein Comeback.
Roland Heiler: Ich halte es auch für zukunftsfähig, weil es nachwächst – zumindest, wenn es entsprechend organisiert ist. Es verbindet Modernität mit Wärme. Das ist eine wundervolle Kombination. Es findet sich bei uns vor allem in architektonischen Projekten wieder. Gerade werden in Stuttgart der von uns und unserem Partner Bülow entworfene
Tristan Horx: Das finde ich klasse. Du brauchst nur das richtige Auto dafür (lacht). In meiner Generation gibt es Diskussionen darüber, ob ein Auto überhaupt notwendig ist. Die Statistik zeigt, dass viele Stadtbewohner in meinem Alter gar keinen Führerschein mehr machen. Ich selbst habe aber einen, da ich sehr viel unterwegs bin. Erst kürzlich hatte ich einen Vortrag in Südtirol und habe mir von einem Freund einen alten
Roland Heiler: Ich genieße lange Fahrten mit dem
Text Bianca LEPPERT
Fotos MARC und DAVID, PORSCHE